Wochenblatt-Leser Walter R. in O. fragt: Meine Steuerberatungsgesellschaft hat mir und vielen weiteren Berufskollegen aufgrund personeller Engpässe nach Jahrzehnten der vertrauensvollen Zusammenarbeit plötzlich das Mandat gekündigt. Ist das rechtens? Eine neue Kanzlei zu finden, gestaltet sich sehr schwierig. Wie kann ich trotzdem eine steuerliche Betreuung erhalten, eventuell auch online?
Arno Ruffer, Steuerberater, WLV, nimmt Stellung: Viele Kanzleien sind zurzeit völlig überlastet und arbeiten am Limit. Zum „normalen“ Tagesgeschäft sind beispielsweise noch ein Berg an Coronahilfen-Rückzahlungen und Grundsteuererklärungen hinzugekommen. Zudem sind besonders auch die steuerberatenden Berufe stark vom Arbeitskräftemangel betroffen: Die Kanzleien suchen teilweise seit Jahren erfolglos Nachwuchs.
Fachkräftemangel
Auch wechseln viele nach der Ausbildung in die Wirtschaft, da ein fester Mandant dort oft attraktiver erscheint als der Stress mit vielen verschiedenen Mandanten in einer Kanzlei. Dem Fachkräftemangel werden die Kanzleien mittelfristig nicht mit mehr Fachkräften begegnen können, denn es gibt sie schlichtweg nicht am Arbeitsmarkt. Somit wird sich das Problem noch weiter verschärfen.
Für die Mandanten heißt das im Umkehrschluss: Es ist Geduld gefragt. Doch eine längere Bearbeitung ist oft gleichbedeutend mit einer späteren Abgabe der Steuererklärungen beim Finanzamt. Spitzt sich die Situation zu, ist ein Mandat niederzulegen – das letzte und natürlich schmerzlichste Mittel für beide Seiten.
Kündigung letzter Schritt
Wenn aber abzusehen ist, dass künftig keine hinreichende Betreuung des Mandanten möglich ist, also sein Auftrag an die Kanzlei künftig nicht in angemessener Zeit erfüllt werden kann, weil der bisher zuständige Berater etwa in den Ruhestand geht oder sich beruflich neu orientiert, ist das leider ein Schritt, den zu gehen sich einige Kanzleien gezwungen sehen. Bricht etwa ein Berater in einer womöglich eher kleinen Niederlassung weg, während alle anderen bereits bis zum Äußersten ausgelastet sind, können diese leider nicht immer die „frei werdenden“ Mandanten übernehmen.
Grundsätze pflichtgemäßer Ausübung
Streng genommen zwingt bereits die Berufsordnung der Steuerberater die Kanzleien dazu, in einem solchen „Notfall“ die Reißleine zu ziehen: Diese schreibt vor, dass Steuerberater ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben haben. Aufträge zur laufenden Buchführung und Hilfeleistung in Steuersachen sind demnach unter Einhaltung der Grundsätze pflichtgemäßer Ausübung auszuführen. Aufträge, deren Durchführung nach diesen Grundsätzen nicht möglich ist, sind hingegen laut Berufsordnung zurückzugeben.
Aus berufsrechtlicher Sicht ist die Kündigung somit nicht zu beanstanden.Ihre Sorge ist aber natürlich verständlich: Vor diesem Hintergrund wird sich auch die Suche nach anderen Kanzleien nicht einfach gestalten und muss dann womöglich in einem sehr weiten Radius erfolgen.
Digitale Beratung spezialisierter Kanzleien
Generell ist eher anzuraten, eine auf das landwirtschaftliche Steuerrecht spezialisierte Kanzlei zu wählen und dafür möglicherweise auch längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. Womöglich kann es bei der Suche lohnen, Kanzleien nicht schon aufgrund des Standortes auszuschließen, sondern zunächst zu fragen, inwieweit diese auch zu digitalen Beratungen bereit sind, um weite Wege zu sparen.
Davon, die Steuererklärung für den Betrieb mithilfe von Online-Tools oder anderer Hilfe-Software selbst zu machen, ist aufgrund der doch sehr speziellen Regeln im Agrarbereich eher abzuraten.
Lesen Sie mehr:
(Folge 45-2023)