Die Kommunen sollen möglichst viele Wärmenetze auf- und ausbauen. Glauben Sie, dass diese die Landwirte dabei mit an Bord holen?
Schulze Lefert: Ja. Meiner Meinung nach haben sie vielfach gar keine Alternative. In Dörfern gibt es häufig keine industrielle Abwärme wie in vielen Städten, die man nutzen könnte. Geothermie ist für kleine Wärmenetze meist keine wirtschaftliche Option und Wärmepumpen haben ein Risiko bei den Strombezugspreisen. Biogasanlagen, die ihre Abwärme noch mehr als bisher in Nahwärmenetze einspeisen können, sind hingegen in NRW weit verbreitet. In Gebieten mit viel Landschaftspflege- oder Wald-Restholz könnten Biomassekessel eine weitere Option sein.
Ist das das Revival der Biogasanlagen?
Schulze Lefert: Schön wäre es. Leider macht uns da die Politik einen Strich durch die Rechnung. Denn momentan bieten sich den Biogasanlagenbetreibern kaum Perspektiven. Ich bekomme immer wieder mit, dass Wärmenetzplaner anfragen und die Anlagenbetreiber auch sofort dabei wären, aber die Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für den Strom in den nächsten Jahren ausläuft. Niemand weiß aktuell, ob er bei den ihm während der Restlaufzeit noch verbleibenden Ausschreibungsrunden einen Zuschlag bekommt und sich so weitere 10 oder 20 Jahre EEG-Förderung sichern kann. Im Gegenteil: Bleiben die Ausschreibungsvolumen so niedrig wie bisher, ist das sogar zunehmend unwahrscheinlich. Und ohne Perspektive traut sich verständlicherweise kaum ein Landwirt, Zusagen zu machen.
Lohnt es sich bei gesicherter Wärmeabnahme nicht auch ohne EEG-Förderung?
Schulze Lefert: Tatsächlich sind die aktuellen Konditionen auf dem Wärmemarkt sehr interessant für Biogasanlagen. Das reicht aber nicht, um eine eventuell defizitäre Stromproduktion auszugleichen. Keiner weiß, wie hoch und verlässlich die Erlöse am Strommarkt künftig sind und ob man ohne Absicherung durch das EEG wirtschaftlich besteht. Da unterschreibt kein Anlagenbetreiber langfristige Verträge und sichert zu, für die nächsten 10 oder 20 Jahre Wärme zu liefern. Selbst bereits bestehende Wärmenetze, bei denen es super läuft, könnten in den nächsten zwei, drei Jahren scheitern, weil Anlagen dicht machen müssen, wenn sie bei der Ausschreibung keinen Zuschlag bekommen. Endlich haben wir gute Wärmepreise, jetzt scheitern wir an den endenden Laufzeiten im EEG.
Gibt es denn noch viele Anlagen, die mehr Abwärme vermarkten könnten als bisher?
Schulze Lefert: Ja. Viele Anlagen könnten durch kleinere technische Änderungen noch mehr Wärme aus ihren Blockheizkraftwerken auskoppeln. Einige Anlagen haben zudem das Potenzial, die Biogasproduktion, besonders aus Wirtschaftsdüngern und Ernteresten wie Maisstroh, zu steigern und so die bestehende Motoren-Anlage höher zu fahren oder auch Satelliten-BHKW hinzubauen. Vielfach wird die anfallende Wärme auch nicht oder nicht komplett genutzt. Aber wenn die Ausschreibungsrunden so weiter gehen wie bisher, wird in den nächsten Jahren massiv ab- statt aufgebaut: Bei beiden diesjährigen Ausschreibungsterminen trifft ein Ausschreibungsvolumen von nur je rund 240 MW auf eine potenzielle Gebotsmenge von über 2700 MW aus bestehenden Anlagen. Wobei weitere Flexibilisierungen und eventuelle Neuanlagen noch gar nicht eingerechnet sind.
Wie „funktionieren“ denn Wärmenetze im Zusammenspiel mit Biogasanlagen?
Schulze Lefert: Der Kern ist der Wärmepufferspeicher. Dieser gleicht zeitliche Verschiebungen zwischen Wärmeproduktion einer flexibilisierten Biogasanlage und Wärmebedarf im Wärmenetz aus. Zudem werden darin Wärmemengen zwischengespeichert, die nur zeitweise oder zu bestimmten Zeitpunkten günstig zur Verfügung stehen, etwa Wärme von Wärmepumpen, aus Solarthermie oder von Power-to-Heat-Anlagen, die Strom preiswert aus Windkraft oder Solaranlagen beziehen. Um durchgehend preiswerte Wärme zu garantieren, müssen 25 bis 40 % der Wärmemenge, die insgesamt im Jahr verbraucht wird, quasi auf Knopfdruck zu festen Preisen zur Verfügung stehen. Das geht gut mit Biogasanlagen oder mit Biomassekesseln. In einer solchen Konstellation kann eine größere landwirtschaftliche Biogasanlage durchaus etwa die Absicherung der Wärmeversorgung für bis zu 800 Haushalte leisten.
Wie sind bereits bestehende Projekte entstanden und welche Vorteile bieten diese?
Schulze Lefert: Bisher sind die meisten Wärmenetze auf Initiative der Anlagenbetreiber, durch Bürgerinitiativen oder Genossenschaften entstanden. Zunehmend fragen die Kommunen oder kommunale Unternehmen bei Biogasanlagenbetreibern nach, was diese an Wärme liefern könnten oder bitten die Landwirtschaftskammer, Kontakt herzustellen. Bei laufenden Projekten sieht man: Da haben das Klima und alle was von. Das bringt Leben ins Dorf und holt Wertschöpfung rein. In den ausgezeichneten Bioenergiedörfern gibt es ein starkes Dorfleben und einen großen Zusammenhalt. Wer in Dörfern mit grünem Wärmenetz baut oder saniert, bekommt attraktive Förderkonditionen zu sehr geringen Kosten.