Sein Name ist den Holstein-Züchtern geläufig – egal ob als Pedigree-Leser, Richter auf Schauen oder durch die Erfolge seiner eigenen Tiere. Es geht um Torben Melbaum. Nun hat der 28-Jährige gemeinsam mit Nici Nosbisch und Firma Stg Germany sein eigenes Zuchtunternehmen gegründet. Es heißt „Bullseye Genetics GmbH“.
Seine beiden Partner sind ebenfalls bekannt in der Zuchtszene: Nosbisch ist selbst erfolgreicher Züchter und Inhaber des Viehhandelsunternehmen „European Livestock Service“. STg Germany verkauft seit 1994 Genetik aus Nordamerika und anderen europäischen Ländern. Melbaum ist Hauptansprechpartner und Geschäftsführer von Bullseye. Es ist das zweite private Zuchtunternehmen in Deutschland. Ansonsten ist die Rinderzucht von Genossenschaften und deren Fusionen und Kooperationen geprägt. Es scheint darum zu gehen größer zu werden, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ganz anders und mit einem kleinen Personalapparat macht es nun das Trio um Bullseye.
Drei Kenner zusammen
Am 1. Juni 2021 gründete sich das private Zuchtunternehmen. „Die Idee hatte Nici“, schmunzelt Melbaum. „Ich musste mir das Ganze erst genau überlegen, denn ein neues Unternehmen bedeutet auch viel Risiko.“ Die beiden Herzblutzüchter tüftelten einen Plan aus. Fest integriert darin die Fleckviehstation BG-Wölsau in Süddeutschland. „Hier sind unsere Bullen untergebracht und die Spermagewinnung findet in Wölsau statt“, erklärt der gebürtige Emsländer. Der Kooperationsvertrag stand vor der eigentlichen Gründung des Unternehmens. Das wirkliche Grundgerüst entwickelte sich dann jedoch gemeinsam mit STg Germany. „Es ist das einzige Unternehmen in Deutschland, das frei entscheiden kann, welche Bullen es im Katalog mit aufnehmen will“, sagt Melbaum. So startete Bullseye mit fünf Bullen. Inzwischen sind es 15 Tiere, viele von den drei Züchtern gezogen.
Potenzial ausschöpfen
Doch warum eigentlich ein eigenes Zuchtunternehmen, wenn es in Deutschland doch bereits etliche gibt? „Wir drei haben uns häufig geärgert, dass in unseren Augen gute Bullen nicht von den Genossenschaften angekauft wurden“, beschreibt Melbaum. Die Genossenschaften in Deutschland führen größten Teils Zuchtprogramme mit eigenen Tieren, sodass immer weniger Zuchtbullen von privaten Landwirten angekauft werden. Allerdings gebe es auch andere gute Tiere, die häufig nicht zum Zuge kämen. „Solche haben bei uns eine Chance. Wir schauen nicht nur nach Nummer-eins-Bullen, sondern vor allem nach ausgeglichenen Tieren, die attraktiv sind für den Markt.“
Ein Problem für private Unternehmen: Sie haben keinen Zugriff auf die deutschen Zuchtwerte. Sie bekommen somit kein lineares Profil der Bullen. Doch dafür hat das Team eine Lösung: „Landwirte bekommen die relativen Zuchtwerte. Wenn diese unser Interesse wecken, dann schicken wir eine Gewebeprobe in die USA“, erklärt Melbaum. „Das ist eigentlich unsere größte Herausforderung: Wir müssen gewissenhafte Entscheidungen treffen und viele Umwege gehen.“ Doch die ersten Züchter scheinen das bereits zu schätzen. Kunden sind vor allem Landwirte, die auch nach links und rechts schauen. „Uns unterscheidet von anderen Zuchtunternehmen, dass wir besonders auf gute Kuhfamilien achten, auch auf die Leistungen der Bullenmütter und Großmütter.“
Internationaler Markt
Bullseye soll aber nicht nur den deutschen Markt bedienen, sondern auch den internationalen. „Wir liefern bereits in elf EU-Länder Sperma, vereinzelt auch in Drittländer“, sagt der junge Unternehmer. Es gebe auch Bullen, die für den deutschen Markt kaum interessant seien, doch auf dem internationalen Markt sehr gefragt. „Solche Tiere nehmen wir ebenfalls auf.“
Im Ausland kann Bullseye als sogenannter „Fullliner“ agieren. Das bedeutet, Melbaums Team kann dort alle Rassen bedienen, da sie die internationale Vermarktung auch für die BG-Wölsau übernehmen. Damit haben die drei neben den eigenen Holstein-Bullen auch Fleckvieh-, Braunvieh- und Fleischrassebullen im Angebot. Hinzu kommen die Rechte für ein paar kanadische Bullen vom Zuchtunternehmen Stantons. „Das bringt uns auch in Deutschland unheimlich nach vorn“, freut sich Melbaum.
Auch wenn er betont, dass es ihm nicht um die Nummer-eins-Bullen geht, kann er nicht verstecken, wie sehr er sich über die aktuellen Erfolge freut: „Bereits neun Monate nach der Unternehmensgründung hatten wir mit Skyliner den höchsten internationalen rotbunten Bullen.“ Den Bullen hat Nici Nosbisch selbst gezogen. Zu den aktuell erfolgreichsten Bullen von Bullseye gehört zudem William. Von dem Tier hat das Unternehmen bereits 25 000 Spermaportionen verkauft, konventionelles sowie gesextes. „Das ist für den Anfang ziemlich gut“, findet Melbaum.
Zukunftsvision in der Zucht
Künftig plant das Züchtertrio etwa 30 Bullen aufzustellen. „Natürlich wollen wir als Unternehmen wachsen und größer werden, aber auf keinen Fall darf der Personalapparat zu groß werden“, erklärt Melbaum. Die anderen Arbeiten werden ausgelagert und als Dienstleistungen ausgeführt.
Auch für die Zuchtentwicklung in Deutschland hat Melbaum eine klare Vorstellung: „Es wird mehr private Zuchtunternehmen geben. Denn die Genossenschaften haben den Zuchtfortschritt hierzulande zu lange zurückgehalten.“ In Nachbarländern wie Dänemark, England oder auch die Schweiz ist es bereits Standard, 50 % gesext weibliches Sperma einzusetzen. „Ich glaube, dass der Anteil an männlich gesextem Sperma ebenfalls steigt und die Qualität insgesamt besser wird.“ Außerdem rechnet er damit, dass die meisten Landwirte ihre Tiere künftig genomisch testen. „Die Kühe zur Remontierung werden dann mit weiblich gesextem Holstein-Sperma besamt, die anderen männlich gesext mit Fleischrassen und dann gibt es noch ein paar, die konventionell besamt werden“, so Melbaum. Er rechnet zudem damit, dass der Außendienst generell Beratung für die Betriebe übernimmt, rund um Fütterung, Management und Zucht. Der Spermaverkauf könnte dann „on top“ kommen.
Bleibt abzuwarten, ob sich private Zuchtunternehmen wie Bullseye in Deutschland durchsetzen oder ob die traditionellen Genossenschaften die Stellung halten.
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