Die wichtigste Frage eines Unternehmers, wenn er über eine Investition entscheidet, ist: „Was bringt das?“ In Zukunft ist eine weitere Frage ebenso entscheidend. Nämlich: „Wie groß ist der CO2-Fußabdruck?“
Bei Agrarfinanzierungen und Krediten geht’s bald nicht mehr nur um Bonität, Renditen, Kennzahlen und Eigenkapital, sondern um das große Thema „Nachhaltigkeit“. Das bedeutet im Grunde, dass es in der Kreditverhandlung bei der Bank in Zukunft auch darauf ankommt, wie „grün“, also wie nachhaltig, eine geplante Investition ist. Die Verordnung, die das regelt, ist die sogenannte „EU-Taxonomie“.
Das ABC der EU-Taxonomie – Begriffe und Gesetze
Was ist das?: Die EU-Taxonomie-Verordnung ist für Unternehmen und Investoren gleichermaßen als Maßstab zu sehen. Es ist ein Klassifikationssystem. Dieses gibt Regeln und Rahmenbedingungen vor, wann ein Unternehmen nachhaltig oder umweltfreundlich wirtschaftet und legt fest, wann eine Finanzierung als „nachhaltig“ einzustufen ist. Dazu umfasst die EU-Taxonomie zunächst sechs Umweltschutzziele, beispielsweise die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
Weshalb gibt es das?: Die Grundlage der EU-Taxonomie sind das „Pariser Klimaabkommen“ der Vereinten Nationen (UN) von 2015, wonach die globale Erderwärmung auf 1,5 °C begrenzt werden soll, und der „Green Deal“ der EU von 2019, wonach die EU bis 2050 klimaneutral wirtschaften und die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 gesenkt werden sollen.
Was macht Deutschland?: Aus Sicht der Bundesregierung müssen Billionen von Euro bewegt werden, um die Ziele der UN und der EU zu erreichen. Dabei spielt der Finanzsektor eine tragende Rolle. Daher beschloss das Bundeskabinett 2021 die „Deutsche Sustainable Finance-Strategie“.
Was ist „Sustainable Finance“?: Damit wird der Finanzsektor zum Hebel in der Nachhaltigkeitspolitik. Die „Sustainable Finance-Strategie“ legt den Finanzmarktakteuren auf, Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Hier kommen die sogenannten ESG-Kriterien ins Spiel.
Wofür steht ESG?: Die Abkürzung steht für Environmental, Social and Governance – zu Deutsch: Umwelt (etwa: Klima, Wasser), Soziales (etwa: Mitarbeiter) und Unternehmensführung (etwa: Risikomanagement, Korruption). Die ESG-Kriterien zeigen, ob und wie nachhaltig ein Unternehmen wirtschaftet. In die Richtung ESG geht auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).
Was regelt das LkSG?: Das „Lieferkettengesetz“ verpflichtet Unternehmen, ihrer Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette nachzukommen. Dazu gehört in erster Linie die Einhaltung von Menschenrechten. Das LkSG nimmt aber auch den Umweltschutz in den Blick, etwa illegale Abholzung, Pestizid-Ausstoß, Wasser- und Luftverschmutzung. Das Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern.
Kommentar: Keine weitere Bürokratiehölle!
Als wäre die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nicht genug Bürokratiewahnsinn, legt Brüssel nach: Mit der EU-Taxonomie kommt über die Banken ein ordentlicher Hebel für mehr Nachhaltigkeit und die Umsetzung des Green Deals. Bedeutet: Bei Kreditvergaben spielen der CO2-Fußabdruck eines Unternehmens und seiner Produktion sowie Umwelt- und Ressourcenschutz bei den geplanten Investitionen genauso eine Rolle wie die Bonität des Kreditnehmers.
Seit Ende 2021 müssen börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern jährlich über die Nachhaltigkeit berichten. Ein riesiger Aufwand, wissen auch Banken und kleine sowie mittelständische Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Zumal der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen wächst, da die Zeit fürs Erreichen der Klimaziele bis zum Jahr 2030 drängt. Auch für die Landwirtschaft kommen noch Bewertungskriterien, spätestens Ende 2024/ Anfang 2025.
Landwirte sollten sich daher jetzt schon vorbereiten. Denn am Ende geht es ums Geld und CO2 als Risikokapital: Taxonomiekonforme Betriebe können von günstigen Finanzierungen profitieren. Nicht taxonomiekonforme Betriebe können aber dran arbeiten, um den Wettbewerb ums „grüne Geld“ nicht zu verlieren.
Doch es wäre fatal, den Landwirten die Mammutaufgabe „Taxonomie“ überzustülpen. Beim Weg zu einer noch nachhaltigeren Landwirtschaft sind alle Marktteilnehmer gefragt: Auskömmliche Preise sind das A und O für Erzeuger, um selbst nachhaltig wirtschaften zu können! Zudem müssen Brüssel und Berlin die Anforderungen an die Dokumentation schlank und einheitlich halten. Nicht, dass es zu einer zweiten GAP durch die Hintertür und einer Bürokratiehölle kommt!
Folgen der Taxonomie für Banken und Landwirte
Was kommt auf Banken und Co. zu?: Über die EU-Taxonomie und die „Sustainable Finance-Strategie“ sind Banken, Sparkassen und Versicherungen verpflichtet, über das Finanzsystem und die Kapitalmärkte auf die Nachhaltigkeitsziele einzuwirken. Zusätzlich sind die Finanzakteure in der Berichtspflicht und müssen künftig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Seit 1. Januar 2024 müssen die Banken in der EU nicht nur nachweisen, wie viele „nachhaltige“ Kredite sie vergeben und wie „grün“ diese Kredite sind, sondern auch, welcher Anteil ihres Geschäfts nachhaltigen Kriterien genügt („Green Asset Ratio“).
Das hat Folgen für die Kunden als Kreditnehmer: Die Banken müssen mit ihnen in den Dialog treten und sich über „Nachhaltigkeit“ unterhalten. Anhand festgelegter Bewertungskriterien, die für Landwirtschaft eben aktuell noch nicht feststehen, sondern frühestens erst Ende des Jahres, bestimmen Banken die Nachhaltigkeit der Finanzierung. Zudem müssen sie ESG-Risiken in der Kreditvergabe berücksichtigen und sind verpflichtet, in ihren Geschäftsbeziehungen die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltbelangen zu prüfen. Die Banken stehen unter der Kontrolle der obersten deutschen Finanzaufseherin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
Was geht das Landwirte an?: Auch wenn Landwirte selbst noch nicht berichtspflichtig sind, und die EU-Kommission die Bewertungskriterien für Landwirte, die die Bank abfragt, wahrscheinlich erst Ende 2024 festlegt, wirft die Taxonomie ihre Schatten voraus. Denn damit die Bank ihre „Hausaufgaben“ in puncto nachhaltiger Kreditvergabe erledigen kann, müssen sie wissen, was die Kunden tun, und die müssen liefern. Und zwar Daten, um die geplanten Finanzierungen als entweder taxonomiefähig oder taxonomiekonform einzustufen. Dabei spielen etwa der CO2-Fußabdruck im Betrieb, der Kraftstoffverbrauch oder die Haltungsform beim geplanten Stallbau eine Rolle.
Stellt sich heraus, dass eine Finanzierung nicht taxonomiekonform ist, sieht es schlecht aus. Beispielsweise werden Ställe mit Haltungsform 1 nicht mehr finanziert oder der Kredit wird teuer. Andersherum erhalten Betriebe, die die Anforderungen der Taxonomie erfüllen und das nachweisen können, möglicherweise günstigere Finanzierungen.
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