Immer mehr Futtermittelfirmen haben getreidefreie Produkte im Sortiment. Was bringen diese in der Pferdefütterung? Ist der Einsatz sinnvoll oder ein Hype unter Freizeitreitern? An der Hochschule Osnabrück wurden Möglichkeiten und Grenzen dieser Fütterung im Rahmen einer Bachlorarbeit untersucht.
Pferdebesitzer überschätzen Energiebedarf
Heute werden viele Pferde als Freizeitpferde gehalten und haben dadurch einen geringeren Energiebedarf als die Pferde, die früher in der Landwirtschaft eingesetzt wurden oder heute im Spitzensport gehen. Pferdebesitzer neigen dazu, dass Leistungsniveau ihres Pferdes zu überschätzen. Macht man sich einmal bewusst, dass sich das Pferd in der freien Wildbahn beim Fressen den ganzen Tag fortbewegt und auch zwischendurch flüchtet, sollte schnell klar werden, dass täglich eine Stunde leichtes Reiten kaum als tatsächliche Arbeit gesehen werden kann.
In der Umfrage bestätigte sich, dass viele Pferdehalter das Leistungsniveau ihrer Pferde überschätzen. Anhand von Hochrechnungen zur Dauer der Trainingseinheiten in der jeweiligen Gangart ergab sich, dass die Pferde in der Umfrage bis auf wenige Ausnahmen nur leichte Arbeit leisten, obwohl oft mittlere und schwere Arbeit angegeben wurde.
Warum getreidefreies Futter?
Dennoch bestätigt die Erhebung, dass es in der Praxis auch Grand Prix-Pferde gibt, die getreidefrei ernährt werden. Die Gründe für die getreidefreie Fütterung sind vielfältig. Bei den Turnier- und Berufsreitern wird als Hauptursache ein Magengeschwür genannt. Bei den Pensionsstallbetreibern überwiegt der Erhaltungsbedarf als Grund.
Der Energiebedarf muss tierindividuell anhand der geleisteten Arbeit je Minute und Gangart berechnet werden. Bis zu einem Level von leichter Arbeit, unter das auch die meisten Turnierpferde bis zur Klasse A fallen, kann dieser Energiebedarf alleine aus Gras und Graskonserven gedeckt werden. Eine zusätzliche Gabe von Getreide kann zu Problemen führen.
Fütterungsproblem durch zu viel Stärke
Stoffwechselerkrankungen sind ein Grund auf Getreide zu verzichten. Getreide enthält viel Stärke, die durch Enzyme aufgeschlossen werden muss. Das Pferd hat im Vergleich zu anderen Nutztierarten jedoch relativ wenig Amylase (ein Enzym, das Stärke in Zucker aufspaltet) im Dünndarm. Gelangt zu viel unverdaute Stärke in den Dickdarm, kann dies verheerende Folgen haben.
- Es kann durch den veränderten pH-Wert zum Absterben der natürlichen Darmflora kommen, was zur Endotoxinfreisetzung und schließlich zu Hufrehen führen kann.
- Steht dauerhaft zu viel Stärke zur Verfügung, kommt es zur Insulinresistenz.
- Die Folgen einer Insulinresistenz sind Hufrehe und Verfettung (Adipositas).
- Schließlich kann es bei adiposen Pferden zum Equinen-Metabolischen-Syndrom kommen. Auch beim Equinen-Cushing-Syndrom stellt die Insulinresistenz und somit ein zu hoher Anteil unverdauter Stärke im Dickdarm ein Problem dar.
- Bei Pferden, die an Magengeschwüren leiden, ist eine stärkearme Fütterung zwingend erforderlich.
- Um all diesen Krankheiten vorzubeugen, muss das Pferd bedarfsgerecht ernährt werden.
Welche Pferde werden getreidefrei ernährt?
Im Rahmen der Bachelorarbeit wurde eine Umfrage mit über 600 Teilnehmern durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, welche Pferde in der Praxis getreidefrei ernährt werden und wie sich getreidefreie Rationen gestalten. Etwa 55 % der Teilnehmer sind zwischen 26 und 45 Jahre alt. Unter den Teilnehmern sind Freizeitreiter (72 %), Turnierreiter (16 %), Berufsreiter (6,3 %), Pensionsstallbetreiber (4,2 %) und Züchter (1,5 %) zu finden (n=616).
- Fast 90 % der Pferde sind Reitpferde, wobei 40,8 % der getreidefrei gefütterten Pferde Warmblüter sind.
- Weitere knapp 30 % geben an Ponys getreidefrei zu füttern.
- Dass die getreidefreie Pferdfütterung ein Trend in der Pferdefütterung ist, zeigt sich auch dadurch, dass mehr als 50 % angeben bereits ein bis fünf Jahre getreidefrei zu füttern.
- Fast 70 % der getreidefrei fütternden Pferhalter sind Freizeitreiter.
Nach Einschätzungen der Teilnehmer sind knapp 35 % der Pferde zu dick oder etwas zu dick. Etwa 60 % kennen das Gewicht ihres Pferdes. Ohne die genaue Gewichtskenntnis ist keine individuelle Rationsberechnung und somit auch keine bedarfsgerechte Fütterung möglich. Steht keine Waage zur Ermittlung des Gewichts zur Verfügung, gibt es Schätzformeln, die genutzt werden können.
Heu ist die Hauptkomponente der Ration
Neben der Einschätzung von Gewicht und geleisteter Arbeit ist auch die Kenntnis der Inhaltsstoffe der verwendeten Futtermittel von Bedeutung. Luat Umfrage führen nur knapp 20 % der Teilnehmer eine Futtermittelanalyse durch. Wird keine Raufutteranalyse durchgeführt, ist für das Hauptfuttermittel in der Ration die Nährstoffzusammensetzung unbekannt.
Dass Heu die Hauptkomponente einer getreidefreien Ration ist, zeigte die Auswertung der Futtermittelrationen. Demnach bekommen die Pferde im Mittel 2 kg Heu/100 kg Körpermasse, was den Bedarf an Rohfaser (1,5 kg Heu/100 kg KM) deckt. Neben Raufutter kommen getreidefreie Ergänzungsfuttermittel, Heu/Luzernecobs sowie Mash, Kräuter und Supplemente in einer Vielzahl der Rationen vor. Heu- und Luzernecobs sind weitere Faserlieferanten, die sich vor allem für Pferde mit Zahnproblemen eignen, aber ansonsten bei einer ausreichenden Heuversorgung zur Bedarfsdeckung nicht erforderlich sind.
Energielieferant ist Öl
Neben der Umfrage wurden in der Arbeit auch 30 getreidefreie Futtermittelkonzepte verglichen. Auffallend ist, dass aufgrund der verschiedenen Energiegehalte auch die Futtermengen variieren, die nötig sind, um 1 kg Hafer zu ersetzen. Die Energiedichte geht von 8,5 MJ DE/kg bis zu 12,5 MJ DE/kg. Hafer zum Vergleich enthält 12,2 MJ DE/kg.
Der Energielieferant in der getreidefreien Pferdefütterung ist Öl. Alle Produkte mit 11 MJ DE/kg oder mehr enthalten als eine Komponente Öl. Öl ist mit einem Energiegehalt von 36 MJ DE/kg das Futtermittel mit der höchsten Energiedichte. Der Einsatz in der Pferdefütterung ist durchaus üblich, jedoch sind Grenzwerte einzuhalten, um die Dickdarmverdauung nicht zu stören. Pferde haben keine Galle und somit sind fettverdauende Enzyme permanent nur in geringer Konzentration vorhanden.
Weitere Komponenten in den Produkten sind zum einen Luzerne in den verschiedensten Verarbeitungsformen und zum anderen Gräser. Luzerne zeichnet sich durch ein gutes Aminosäuremuster aus, wodurch das Pferd mit den nötigen essenziellen Aminosäuren versorgt wird. Darüber hinaus ist Luzerne ein Energieträger. Verschiedenste Verarbeitungsformen von Sonnenblumenkernen sind in einer großen Häufigkeit in den Produkten zu finden. Sie sind eine passende Ergänzung zu Soja, da hier andere essenzielle Aminosäuren bereitgestellt werden.
Ein Großteil der Produkte enthält Trester, die sehr schmackhaft sind und deren Pektine sich positiv auf die Dickdarmverdauung auswirken. Insgesamt zeichnen sich die getreidefreien Produkte durch einen hohen Rohfasergehalt aus. Der Stärkegehalt liegt im Mittel bei 5,5 % was gegenüber Hafer (39 %) eine deutliche Reduktion darstellt.
Getreidefrei lässt sich nicht einheitlich definieren
Der Aspekt der Stärkereduktion als einen Grund für die getreidefreie Pferdfütterung wurde bereits zu Beginn erwähnt. Auch die verschiedensten Futtermittelhersteller nennen dies bei ihrer Definition für getreidefreie Futtermittel. Es ist jedoch zu betonen, dass es sich nicht um einen geschützten Begriff handelt und es verschiedenste Definitionen gibt.
In einigen getreidefreien Produkten finden sich Getreidenachprodukte wie Kleie oder Dinkelspelzen. Andere verzichten auf jegliche Verarbeitungsform von Getreide und auf Melasse. Hier ist also der Verbraucher gefragt, sich in den Deklarationen der Produkte vor dem Kauf zu informieren, da für Getreideallergiker auch Getreidenachprodukte ein Problem darstellen können. Geht es jedoch nur um die Stärkereduktion, stehen sehr viele Produkte zur Verfügung.
Fazit: Getreidefreie Fütterung - Sinn oder Unsinn?
Da der Trend, getreidefrei zu füttern, noch recht jung ist, liegen noch keine wissenschaftlichen Studien vor, die die Grenze der Energiebedarfsdeckung untersuchen. Hier muss berücksichtigt werden, dass die Fütterung immer tierindividuell ist. Trotzdem besteht großes Forschungspotenzial im Bereich dieser Fütterungsstrategie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fütterung von Getreide zurecht seit Jahrhunderten praktiziert wird und bei einer korrekten Rationsberechnung für gesunde Pferde sinnvoll ist. Das Konzept der getreidefreien Fütterung ist vor allem für Pferde mit Stoffwechselproblemen interessant. Der Großteil der Pferde benötigt zur Bedarfsdeckung jedoch nur qualitativ hochwertiges Heu und ein Mineralfutter. Der Einsatz von Ergänzungsfuttermitteln wird erst bei entsprechendem Energieverbrauch nötig.
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