Wohin mit den Hahnenküken?

Männliche Küken der Legehennenlinien dürfen nicht mehr unmittelbar nach dem Schlupf getötet werden. So soll es ein aktueller Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Umweltschutz (MKULNV) in NRW vorsehen, den Minister Johannes Remmel in der vergangenen Woche angekündigt hat. Doch welche Alternativen gibt es?

In Deutschland werden pro Jahr etwa 40 bis 50 Mio. männliche Eintagsküken der Legehennenlinien durch Kohlendioxid (CO2) oder im Schredder getötet, weil sie sich praktisch gar nicht für die Fleischerzeugung nutzen lassen. Dies stößt in der Bevölkerung zunehmend auf Kritik.

Alternativen bietet das züchterisch bereits neu bearbeitete Zweinutzungshuhn, das aber mit einem deutlich erhöhten Futteraufwand bei den männlichen und einer geringeren Legeleistung bei den weiblichen Tieren daherkommt. Ein weiterer Ansatz ist die Geschlechtsbestimmung im Ei, die jedoch noch nicht praxisreif ist.

Als Marktnische gibt es Produktionssysteme, bei denen die Aufzucht der „Bruderhähne“ durch einen erhöhten Eierpreis rentabel gemacht wird. Der Aufwand dafür liegt nach Musterberechnungen bei 4 Cent je Ei bzw. 10 € je Hahn. Das ist jedoch kein tragfähiges System für alle. Eine ethisch verträgliche Lösung für die breite Masse der Hahnenküken ist deshalb noch lange nicht gefunden.

Anzeige gegen Brüterei

Der aktuelle Vorstoß des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums ist in einem Ermittlungsverfahren gegen eine Brüterei im Kreis Coesfeld begründet. Das Unternehmen ist wegen des Tötens der Hahnenküken angezeigt worden. Das Verfahren wurde jedoch aufgrund eines sogenannten Verbotsirrtums kürzlich eingestellt.

Oberstaatsanwalt Heribert Beck von der Staatsanwaltschaft Münster erklärte, dass ein Verbotsirrtum dann gelte, wenn der Angeklagte sich nicht bewusst darüber war, eine Straftat zu begehen und seine Handlung für rechtmäßig gehalten hat. Dies könne beispielsweise auch dann der Fall sein, wenn bisher niemand Anstoß an der betreffenden Handlungsweise genommen habe. Dafür spreche in diesem Fall eine EU-Verordnung zum Ablauf des Tötens sowie die jahrelange Duldung durch die Behörde.

Nach Aussagen Becks ist das Verfahren daher mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Wie der Oberstaatsanwalt betonte, könne dieses Urteil jedoch keine Rechtskraft entwickeln, da es nur einen Einzelfall betreffe und somit keine bindende und generalisierende Wirkung habe.

Kreisordnungsbehörden liefern Infos an LANUV

Die Kreisordnungsbehörden in NRW werden angewiesen, den in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Brüte­reien die Praxis des Hahnenküken-Tötens im Wege einer Ordnungsverfügung zu untersagen. Dafür soll eine Übergangsfrist von einem Jahr gelten. Wie das Wochenblatt auf Nachfrage erfuhr, sind die Kreisbehörden gehalten, zeitnah Informationen über den Umfang und Verbleib der getöteten Hahnenküken an das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) zu übermitteln. In NRW sind zurzeit elf Brütereien gemeldet. Die betroffenen Mitarbeiter der Kreisbehörden sollen kurzfristig zu einem Treffen ins LANUV geladen werden, um ein einheitliches Vorgehen in diesem Fall abzustimmen.

Konsequenzen unklar

Welche Folgen der Erlass des Ministeriums haben könnte, bleibt erst einmal unklar. Ein Jahr lang könnte theoretisch alles weiterlaufen wie bisher. Trotzdem ist unrealistisch, dass binnen dieser Frist eine praxisreife Alternative gefunden wird. Sollte die Initiative des grünen Umweltministers auch juristisch Bestand haben, würden aller Voraussicht nach die Brüte­reien in Nordrhein-West­falen ihr Geschäft entweder in andere Bundesländer verlagern oder einstellen.

Remmels Parteifreund und Amtskollege in Hannover, Christian Meyer, hat bereits erkennen lassen, dass er über eine ähnliche Vorschrift nachdenken will. Falls es so käme, wäre die Branche auch in ihrer Hochburg Niedersachsen betroffen. bw/ri