Woher kam Umweltgift PFT?

Der größte Umweltskandal in Ostwestfalen wird zurzeit im Paderborner Landgericht verhandelt: Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat sechs Personen angeklagt; sie sollen gefährliche Abfälle unerlaubt verbracht, Böden verseucht und Gewässer in besonders schweren Fällen verunreinigt haben.

Die bislang bekannt gewordenen Schäden dürften sich auf weit über 10 Mio. € belaufen. Die Strafkammer hat 18 Sachverständige und 43 Zeugen geladen. 3 Berufsrichter, 2 Staatsanwälte, 16 Verteidiger und 4 Dolmetscher werden sich voraussichtlich ein Jahr mit dem komplizierten Fall beschäftigen.

Klärschlamm aus Industrieabwässern

Von 2003 bis 2006 soll die Firma GW Umwelt, die in Borchen-Alfen ein Bodenmischwerk betreibt, große Mengen Filterkuchen und Klärschlämme aus Abwasseranlagen von Industrieabwässern in Belgien und Holland nach Deutschland eingeführt haben. Dafür jedoch lagen keine Genehmigungen vor.

GW Umwelt hat die Schlämme laut Staatsanwalt anschließend mit Kalk und anderem Material zu einem Bodenhilfsstoff verarbeitet, den die Firma Terra Vital GmbH an Ackerbau- und Landschaftsbaubetriebe vermarktet hat. Der „Bodenhilfsstoff“ ging an Betriebe in Ostwestfalen, in die Kreise Göttingen und Celle, nach Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Der Staatsanwalt geht davon aus, dass das Material bundesweit auf bis zu 1000 Flächen aufgebracht worden ist.

Was sagen Staatsanwalt und Verteidigerin zum Fall?

Zum Prozessauftakt wies Staatsanwalt Brendel auf Folgendes hin: Die Angeklagten der Firma GW Umwelt konnte sicher nicht wissen, dass die Schlämme mit PFT belastet waren. Sie haben jedoch widerrechtlich Industrieschlämme abgenommen und so hohe Profite erzielt. Deren Handhabung ist in Deutschland gerade nicht über die Klärschlammverordnung geregelt.

In einer zweistündigen (!) Erklärung warf Dr. Ann-Luise Schümer, Verteidigerin von Ralf W., der Staatsanwaltschaft vor, die rechtlichen Grundlagen schlampig recherchiert zu haben. Die Firma GW Umwelt habe alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten, PFT sei erstmals 2006 als mögliches Umweltgift in Klärschlämmen identifiziert worden. „Unsere Mandanten hatten keinen Anlass, die Schlämme auf PFT untersuchen zu lassen.“ Nach Ansicht der Anwältin sind die von den Umweltbehörden herangezogenen PFT-Grenzwerte im Wasser und in den Böden nach dem heutigen Stand der Wissenschaft überholt. Der Prozess wird fortgesetzt. Armin Asbrand