Wirbel um Krebsrisiko von Genmais

Für Wirbel hat eine französische Studie gesorgt, derzufolge die Maissorte NK 603 ein Krebsrisiko birgt. Wenn Ratten mit Mais dieser gentechnisch veränderten Monsanto-Sorte gefüttert werden, liegt die Sterblichkeit bei den Weibchen zweimal höher als bei der Kontrollgruppe. Zudem verkürzt sich ihre Lebenszeit. Außerdem entstehen bei allen Tieren zwei bis drei Mal so viele Tumore wie bei den anderen, schrieben Wissenschaftler der Forschergruppe Criigen in einer zweijährigen Studie an 200 Ratten, deren Resultate am vergangenen Mittwoch im Fachblatt „Food and chemical toxicology“ veröffentlicht wurden. Jetzt ist die Studie selbst in die Kritik geraten.

Die Untersuchung hat nach den Worten von Criigen-Präsident Giles-Eric Séralini „alarmierende Ergebnisse“ gebracht. Während die Studie unterschiedliche Resonanz in der Politik hervorrief, wurde ihre wissenschaftliche Fundierung vom Verband europäischer Biotechnologieunternehmen (EuropaBio) und vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO) in Zweifel gezogen.

Paris fordert schnelle EFSA-Prüfung

In Reaktion auf die Veröffentlichung der Studie stellten der Pariser Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll und seine Amtskolleginnen aus dem Umwelt- und dem Sozialressort, Delphine Batho und Marisol Touraine, in einer gemeinsamen Pressemitteilung fest, dass diese Analyse die langfristige Unbedenklichkeit der gentechnisch veränderten Maissorte NK603 in Frage stelle.

Sie wiesen darauf hin, dass die nationale Behörde für Nahrungsmittelsicherheit, Gesundheits-, Umwelt- und Arbeitsschutz (Ansès) von ihnen angerufen worden sei. Außerdem sollen die Ergebnisse vom Hohen Rat für Biotechnologie und von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft werden. „Diese Studie scheint die Unzulänglichkeiten der bisherigen toxikologischen Untersuchungen für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu bestätigen“, schreiben Le Foll, Duflot und Touraine.

Aus ihrer Sicht erhärtet diese Analyse die von der französischen Regierung vertretende vorsichtige Haltung beim Moratorium von GV-Kulturen. Außerdem forderten die drei Ressortchefs in Richtung der EU-Behörden, „in kürzester Zeit“ die Ergebnisse zu prüfen. Unterdessen kündigte Frankreichs Premierminister Jean-Marc Ayrault an, sich auf EU-Ebene für ein Verbot von NK 603 einzusetzen, sollten sich die Studienergebnisse bewahrheiten.

Ratten von natura krebsanfällig

Unterdessen gab es deutliche Kritik an der Untersuchung selbst. So bezeichnete Europa-Bio diese als „fragwürdig und inkorrekt“. Der Verband beanstandete unter anderem, dass die Forscher altersschwache Ratten verwendet hätten, für die es normal sei, nach zwei Jahren zu sterben. Außerdem sei diese Rattenart dafür bekannt, extrem anfällig für Krebs zu sein.

Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO) wies in einer Presseverlautbarung nachdrücklich darauf hin, dass die französische Studie „erhebliche Mängel“ aufweise. Sie liefert aus VBIO-Sicht keine neuen Anhaltspunkte, die „aktionistische Schlussfolgerungen“ rechtfertigten. In Bezug auf die Ergebnisse, wonach erhöhte Todesraten und gesundheitliche Probleme bei Ratten vorlägen, die über einen längeren Zeitraum mit genmodifiziertem Mais gefüttert worden seien, weise die Analyse allerdings „mehrere schwere Mängel“ auf.

„Eigentlich erstaunlich, dass dies im Rahmen des Peer Review nicht entdeckt wurde“, so der VBIO-Vizepräsident Prof. Diethard Tautz. Der Wirbel, den die Veröffentlichung ausgelöst habe, sei in keiner Weise angemessen, Forderungen nach sofortigen Konsequenzen könnten damit nicht begründet werden, stellte der Wissenschaftler klar. Er plädierte dafür, bei der Entscheidung über wichtige gesellschaftspolitische Themen solide wissenschaftliche Grundlagen heranzuziehen.

Dem Verband zufolge sind die während der Studie aufgetretenen pathologischen Befunde für den verwendeten Rattenstamm typisch, da es sich um einen Inzuchtstamm handle, bei dem im Alter häufig diese Probleme aufträten. In einer groß angelegten Studie mit mehr als 3.000 Tieren dieses Stammes sei festgestellt worden, dass etwa die Hälfte der Tiere innerhalb von zwei Jahren an einer dieser Krankheiten bzw. an Tumoren sterbe.

Gleichzeitig weise die französische Studie aber darauf hin, dass es eine sehr große Schwankungsbreite in Bezug auf Sterberaten und Entwicklung von Tumoren im Alter gebe, was bedeute, dass der für Langzeitversuche verwendete Ratten-Stamm nicht geeignet gewesen sei.

Statistisch signifikante Effekte schwer nachweisbar

Außerdem stellte VBIO mit Blick auf die Zahl der in der Studie verwendeten Tiere klar, dass man bei Untersuchungen mit kleinen Gruppen von nur zehn Tieren sehr schwer statistisch signifikante Effekte nachweisen könne. Die vorgelegten Daten deuteten insgesamt darauf hin, dass nichts anderes als statistische Schwankungen in dem Experiment gemessen worden seien. Ursächlich sei der Versuchsansatz, der als Kontrollgruppe nur zehn Tiere pro Geschlecht vorsehe, die dann insgesamt neun Gruppen mit jeweils zehn Tieren in verschiedenen Fütterungsversuchen gegenübergestellt würden.

Da es in jedem derartigen Experiment zu statistischen Schwankungen komme, müsse diese Schwankung sowohl für die behandelte Gruppe wie auch die Kontrollgruppe abgeschätzt werden; es hätten also auch 90 Tiere in der Kontrollgruppe mitgeführt werden müssen. Der von den Autoren gewählte Versuchsansatz hätte aus rein statistischen Gründen in jedem Fall zu ähnlichen Unterschieden zwischen der Kontrollgruppe und den behandelten Gruppen geführt, ganz egal welche Behandlungen ausgeführt worden wären, betonte VBIO.

Er bemängelte zudem, dass beispielsweise keine Dosisabhängigkeit des Effekts gefunden worden sei. Eine der Gruppen, die mit dem höchsten Anteil an genmodifizierten Mais gefüttert worden sei, zeige sogar die höchste Überlebensrate, was ein typisches Zeichen für Zufallsabweichungen sei. Die Autoren versuchten dies damit zu erklären, dass man auch in einer anderen Studie für hormonbedingte Krankheiten keine Dosisabhängigkeit gefunden habe. Allerdings sei auch diese Studie inzwischen als wissenschaftlich nicht haltbar erkannt worden.

Im Widerspruch zu anderen Studien

Hierzulande rief die Studie der Criigen-Forscher gemischte Reaktionen hervor. Die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Christel Happach-Kasan, meinte, dass die Ergebnisse der GV-Mais-Fütterungsstudie nun mit Sorgfalt geprüft werden müssten. Zugleich wies die Liberale darauf hin, dass die Resultate „eklatante Unterschiede“ zu zahlreichen anderen Untersuchungen zeigten.

Ferner würden die Ergebnisse durch die Praxis in Frage gestellt. „In den USA sind gentechnisch veränderte Lebensmittel bereits seit mehr als zehn Jahren allgegenwärtig, ohne dass sich negative Konsequenzen für die Gesundheit der Verbraucher bemerkbar gemacht hätten“, so Happach-Kasan. Nach ihren Worten widerspricht die französische Studie sowohl der langjährigen Erfahrung der Landwirte als auch zahlreichen Fütterungsstudien wie einer bayerischen Untersuchung der Technischen Universität (TU) München mit MON 810 aus dem Jahr 2009.

Hierbei seien zwischen der mit Genmais gefütterten und der mit konventionellem Mais gefütterten Gruppe „keinerlei Unterschiede hinsichtlich Gesundheit, Fruchtbarkeit oder Milchleistung der Tiere“ festgestellt worden. Die Bundestagsabgeordnete gab zudem zu bedenken, dass die Criigen-Studie in Forscherkreisen Fragen aufwerfe etwa hinsichtlich der Auswahl der verwendeten Ratten und den fehlenden Angaben zur Futtermenge. Auch dürften nun nicht die Ergebnisse auf andere GV-Sorten übertragen werden, betonte die FDP-Politikerin.

Importaussetzung für NK 603 gefordert

Als einen „Paukenschlag“ bezeichnete dagegen der Sprecher für Agrogentechnik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Harald Ebner, die Ergebnisse der französischen Criigen-Forscher. Er übte deutliche Kritik an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, die nach seinen Worten „aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und bei der EU-Kommission zumindest einen Importstopp für die hier erforschte Genmais-Sorte NK603 einfordern“ muss.

Ebner zufolge haben Politik und Zulassungsbehörden die Risiken unterschätzt. Wenn die Brüsseler Behörde nicht aktiv werde, müsse Aigner einen nationalen Importstopp verhängen. EU-Nachbarstaaten hätten bereits aus Vorsorgegründen den Import anderer GV-Pflanzen verboten. AgE


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