Wie frei ist der Wettbewerb?

Der Schutz des freien Wettbewerbs ist eine Grundvoraussetzung für die Wohlstandsmehrung aller Marktteilnehmer bei der sozialen Marktwirtschaft. So viel zur Theorie, doch wie sieht es in der Praxis aus? Über diese Frage diskutierten vier Referenten und vier Podiumsgäste mit über 300 Teilnehmern auf der Tagung Zukunftswerkstatt 2010, die von der Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft am Mittwoch dieser Woche in Berlin veranstaltet wurde.

Der Unternehmensberater Prof. Dr. Rainer Lademann verwies darauf, dass früher das Kartellrecht dem Wohl des Wettbewerbs diente, während es heute vor allem dem Verbraucher zu niedrigen Preisen verhelfe. Auch räumte er mit dem Vorurteil auf, der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) würde in Deutschland besonders stark konzentriert sein. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, liegt die Bundesrepublik gerade einmal im Mittelfeld. Seinen Worten zufolge wird die Konzentration im LEH vor allem durch Größenvorteile im Einkauf vorangetrieben. Trotz Fusion würden nur Umsatzrenditen von rund 1% erreicht werden.

Der Preisdruck des LEH auf die Ernährungsindustrie wurde von den Herstellern bisher durch Rationalisierung, verstärkte Erschließung neuer Märkte und internationalem Einkauf aufgefangen, so Lademann. Dagegen würden geringe Differenzierungsspielräume bei der Rohwarenerfassung, fehlende Absatzalternativen für differenzierte Produkte und eine immer noch zu große Zersplitterung der Erzeuger- und Verarbeitungsstufe gerade bei Milch und Fleisch, aber auch Anreize zur Überproduktion die Gewinne und Margen in der Landwirtschaft belasten.

Der vor kurzem veröffentlichte Zwischenbericht vom Bundeskartellamt zum Sektor Milch hat viel Aufmerksamtkeit erregt. Wie Eva-Maria Schulze vom Bundeskartellamt auf der Tagung sagte, wurde das Kartellamt 2008 aktiv, weil verschiedene Marktteilnehmer sich beschwert hätten, dass kein bzw. nur ein eingeschränkter Wettbewerb stattfinden würde.
Zum Verhältnis Milcherzeuger und Molkereien merkte Schulze an, dass der Wettbewerb der Molkereien um Rohmilch nach bisheriger Einschätzung Defizite aufweist. Diese seien möglicherweise aber nicht alle kartellrechtlich angreifbar. Allerdings nutzten Erzeuger die vom Gesetzgeber geschaffenen Ausnahmen vom generellen Kartellverbot für anerkannte Erzeugergemeinschaften bisher nur ansatzweise. Dabei ermöglicht das Marktstrukturgesetz regionale Preis- und Mengenabsprachen für Erzeuger.

Zu den aktuell bei Edeka durchgeführten Untersuchungen des Bundeskartellamtes merkte sie an, dass es ähnlich schwierig wie bei den Tankstellen sein werde, hier Preisabsprachen konkret nachzuweisen. Anders wäre es beim Zuckermarkt. Die hier durchgeführten Untersuchungen bei drei Unternehmen der Zuckerindustrie lassen vermuten, dass kein Wettbewerb am Zuckermarkt stattfindet. KB