TTIP: Dokument-Abschriften veröffentlicht

Die Umweltschutz-Organisation "Greenpeace" hat Abschriften interner Dokumente zu den Verhandlungen über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen (TTIP) veröffentlicht. Die Herkunft der Dokumente ist intransparent.


Die Umweltschutz-Organisation "Greenpeace" war in den Besitz der Dokumente gelangt und hat nach eigenem Bekunden Abschriften gefertigt, die am gestrigen Montag über das Internet veröffentlicht worden sind. Die Quelle der Dokumente ist unklar. Nach Angaben von Greenpeace bilden die im Netz veröffentlichten Abschriften den Verhandlungsstand von April 2016 ab.

Erst vor wenigen Tagen hatte der amerikanische Präsident Barack Obama seine Europa-Reise genutzt, um für die zügige Unterzeichnung des Abkommens zu werben. Mehrere zehntausend Menschen hatten gegen das Handelsabkommen demonstriert.

Offene Verhandlungen mit Meinungsunterschieden

Die von Greenpeace im Internet publizierten Texte (www.ttip-leaks.org) belegen, wie kaum anders zu erwarten, offene Verhandlungspositionen und erhebliche Meinungsunterschiede zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, insbesondere auch im Verhandlungskapitel zu agrarpolitischen Fragen. Die Papiere seien unvollständig und enthielten nur Vorschläge beider Seiten, jedoch keine Verhandlungsergebnisse, stellte der EU-Verhandlungsführer Ignacio Garcia Bercero klar.

So hätten konkrete Verhandlungen über sensible Themen, wie etwa zum transatlantischen Handel mit Rindfleisch oder Waren mit geografischer Herkunftsangabe noch gar nicht begonnen. Europa halte unbeirrt am Vorsorgeprinzip und seinen Gesundheits- und Umweltstandards fest, betonte Bercero im Hinblick auf die von Greenpeace erhobenen Behauptungen, die EU opfere zentrale Umwelt- und Gesundheitsstandards.

"Eine Aneinanderreihung von Klammern"

„An vielen Punkten des Verhandlungstextes werden Unterschiede deutlich", erläuterte der Vorsitzende des Ausschusses für Handelspolitik im Europaparlament, Bernd Lange. "Das Agrarkapitel ist im Grunde kein Kapitel, sondern eine Aneinanderreihung von Klammern, in denen sich die unterschiedlichen Positionen der EU und der USA gegenüberstehen." In dem bekanntgewordenen Papier unterstreichen beide Parteien unter anderem, dass sie den Marktzugang für Agrarprodukte substantiell verbessern, Exportsubventionen reduzieren beziehungsweise gänzlich abschaffen und handelsverzerrende Unterstützungen substantiell abbauen wollen.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sieht die Lebensmittelstandards und Verbraucherschutzstandards der Europäischen Union weiterhin nicht gefährdet. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk erinnerte er daran, dass die amerikanische Position nicht mit einer Einigung zu verwechseln sei.

Wenn zwei verhandelten, gebe es immer unterschiedliche Positionen, betonte der Minister. Bei einigen Punkten könne man aufeinander zugehen, beispielsweise bei Zöllen. Und es gebe Punkte, wo der eine das andere akzeptieren müsse. Die Lebensmittelsicherheit und das Vorsorgeprinzip seien für die EU allerdings keine Tauschobjekte für gemeinsame Technikstandards in der Autoindustrie, stellte Schmidt klar.

Im Bereich Gentechnik erwartet der Minister sogar, dass die amerikanische Verhandlungsposition aufgeweicht werde. In den USA selbst gebe es Forderungen, die Gentechnikkennzeichnung und Gentechnikvermeidung „zur Pflicht“ zu mache.

Verbraucherschützer befürchten Einschnitte

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) befürchtet Einschnitte im Verbraucherschutz, wenn sich die USA mit ihren Vorstellungen durchsetzen sollten. Verbandsvorstand Klaus Müller kritisierte in Berlin, dass die USA die Risikobewertung im Lebensmittelmarkt aufweichen und sich „weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in der Regulierung“ sichern wollten. Die Verhandlungsdokumente zeigten, wie die USA eine verbraucherschützende Regulierung und das europäische Vorsorgeprinzip aushebeln wollten.

Neben dem Lebensmittelmarkt betreffe das TTIP-Abkommen eine Reihe weiterer verbrauchersensibler Bereiche. Anders als bei nationalen Gesetzgebungsverfahren habe es bislang keine Möglichkeit gegeben, Einblick in die Kernforderungen der US-Seite zu nehmen. Weitreichende Handelsabkommen wie TTIP müssten sich jedoch an einer öffentlichen Debatte messen lassen und in ihr bestehen können, verlangte Müller. Hier habe Transparenz Priorität.

Kritik an Medienwirbel und Selbstinszenierung

Mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Aktion stieß die Umweltschutzorganisation bei Beobachtern keineswegs nur auf Zustimmung. So stieß unter Journalisten auf Kritik, dass drei Vertreter von Greenpeace die Bühne der medial stark beachteten Digitalkonferenz "re:publica 2016" in Berlin nutzten, um sich wechselseitig selbst zu interviewen. Auch die Intransparenz zur Herkunft der Dokumente und zu deren Echtheit sorgt für kritische Nachfragen.

Der "Deutschlandfunk" warf der Organisation vor, einzelne Sachverhalte zuzuspitzen und bewusst zu dramatisieren – "wohlwissend, dass die Freihandelsgespräche vor allem in Deutschland politisch wie öffentlich hoch umstritten sind". Die jetzt veröffentlichten Unterlagen würden bei nüchterner Betrachtung lediglich belegen, dass die Verhandlungspartner weit auseinanderliegen und dass bei Verhandlungen dieser Art "hart gepokert" werde. Die jetzt betriebene Skandalisierung der Verhandlungen, so das Fazit des Deutschlandfunk-Kommentars, schade letztlich den TTIP-Kritikern selbst, "es sei denn, es geht ihnen allein darum, das geplante Freihandelsabkommen zu verhindern – egal, mit welchen Mitteln". AgE/Str.