Reaktionen auf die Brüsseler Beschlüsse

Die Milchpreise sind im Keller, die Stimmung ist aufgeheit. Können die Beschlüsse des Sonderagrarrats in Brüssel die Lage stabilisieren? Politik und Landwirtschaft sind darüber unterschiedlicher Auffassung.

Die Entscheidung der EU-Agrarminister, aufgrund der aktuellen Preismisere im Agrarsektor ein Maßnahmenpaket mit 500 Mio Euro bereitzustellen, hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, als "Schritt in die richtige Richtung" begrüßt. Mit der vorgesehenen Export- und Marktoffensive werde eine wichtige Forderung des Bauernverbandes umgesetzt, erklärte Rukwied, schränkte aber zugleich ein, dass das Hilfspaket den aktuellen Herausforderungen in der Landwirtschaft "noch nicht" gerecht werde. So fehlten konkrete Vorgaben zur Umsetzung, beispielsweise für die vorzeitige Auszahlung der Direktzahlungen.

Als wichtiges Signal wertet Rukwied, dass sich die Agrarminister mit dem Maßnahmenpaket erneut und eindeutig zum Kurs der Marktorientierung bekannten. Diese Entscheidung zeige auch mehr als deutlich, „dass mit Krawallen und Gewaltbereitschaft keine Forderungen erzwungen werden können“.

BDM beklagt "Aktionismus"

Scharfe Kritik kam hingegen vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Dessen Vorsitzender Romuald Schaber meinte, die Beschlüsse seien „nicht mehr als Aktionismus, um eine politische Reaktion auf die Krise nachzuweisen“. Man habe es versäumt, das Problem des zu großen Milchangebots, das für den aktuellen globalen Milchpreisverfall verantwortlich sei, aktiv anzugehen.

CDU-Agrarminister begrüßt Liquiditätshilfen

Die Parteien werteten das Brüsseler Ergebnis unterschiedlich. Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens (CDU) begrüßte die Liquiditätshilfen. Auch die Ankündigung der Kommission, die private Lagerhaltung für Milchprodukte zauszuweiten, helfe, den Markt zu stabilisieren. Der Agrarrat habe zudem die Notwendigkeit erkannt, die Position der Erzeuger am Markt zu stärken. Allerdings bleibe abzuwarten, zu welchen Ergebnissen die Arbeitsgruppe komme, die die Kommission einrichten wolle, räumte Aeikens ein.

Der CDU-Politiker kündigte an, dass die Magdeburger Landesregierung mit Bürgschaften und Steuerstundungen unter Druck geratenen Betrieben helfen werde. Außerdem werde man Landwirten die Möglichkeit einräumen, zur Überwindung von Liquiditätsengpässen Land vorübergehend an die Landgesellschaft zu verkaufen und zurückzupachten.

Kritik von SPD und Grünen

Für Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Backhaus (SPD) stellen die Entscheidungen des EU-Agrarrates „keine wirkliche, dauerhafte Hilfe für die Landwirte“ dar. Notwendig seien stattdessen konkrete Maßnahmen, um die Überproduktion zu stoppen. Daher werde er den Bundeslandwirtschaftsminister bitten, umgehend ein Treffen mit allen Länderressortchefs einzuberufen, so der SPD-Politiker. Die Soforthilfe von 500 Mio Euro kritisierte Backhaus als „Symbolpolitik“. Kritisch wertete er auch die geplante Förderung der privaten Lagerhaltung, die die Probleme nur verschiebe.

Aus Sicht von Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) setzt die EU „die falschen Zeichen“. Sie wolle die Verstärkung des Exportes. Das heiße nur, dass die Milch dann auch auf dem Weltmarkt verramscht werde. Höhere Preise erzielten die Erzeuger damit nicht. Die vorgeschlagene Finanzhilfe bekämpfe allenfalls die Symptome. „Liquiditätshilfen sind wichtig, aber wir brauchen kurzfristig eine Reduzierung der Milchmenge, um die Märkte zu beruhigen“, betonte Habeck.

Der Agrarsprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Ostendorff, hält eine Mengendrosselung bei der Milch für notwendig. Dies wäre mit Bonuszahlungen an Betriebe, die ihre Milchmenge reduzierten, möglich gewesen. Derzeit seien 10 Mio. t zu viel am Markt. Um genau diese Menge sei die Milchproduktion in der EU seit 2010 gesteigert worden. Deutschland habe daran einen entscheidenden Anteil gehabt. Ostendorff geht davon aus, dass „eine Menge Betriebe“ aufgeben. AgE