Pferdehalter mit Bahnschwellen getäuscht?

Die mündliche Verhandlung verlief sehr zäh. Allen Prozessbeteiligten war anzumerken, dass die Rechtslage um ausrangierte Bahnschwellen viele Fragen aufwirft: Warum dürfen teerölhaltige Holzschwellen, die 30 Jahre in einem Gleisbett lagen, nach der Demontage nicht mehr als Weidepfähle genutzt werden? Und warum darf die Bundesbahn die Schwellen wieder in den Verkehr bringen, wenn diese giftig sind?

Am 24. Januar dieses Jahres hat das Amtsgericht Osnabrück Hermann-Josef S. und seinen Sohn Christian wegen vorsätzlichen verbotswidrigen Inverkehrbringens teerölhaltiger Erzeugnisse in fünf Fällen in Tateinheit mit Betrug verurteilt. Der 57-Jährige bekam eine Freiheitsstrafe, sein 30-jähriger Sohn eine Geldstrafe aufgebrummt. Beide legten Berufung ein. Zur Berufungsverhandlung Mitte vergangener Woche hatte Richter Wischmeyer erneut Zeugen und einen Gutachter eingeladen.

Seit Jahren betreibt Familie S. eine GmbH für Bahnbedarf in Tecklenburg. Über Anzeigen in Fachzeitschriften hatte sie bundesweit alte Bahnschwellen angeboten. Zumindest in fünf Fällen soll es sich um Schwellen gehandelt haben, deren Benzoapyrengehalt deutlich über 50 mg/kg TS lagen. Seit 2002 dürfen solche Schwellen nach dem Chemikaliengesetz und der Che­mikalienverbotsverordnung ausschließlich als Eisenbahnschwellen wiederverwendet werden. Dies sollen Vater und Sohn gewusst, den Käufern aber nicht mitgeteilt haben, was die Angeklagten bestreiten.

Bundesweit an Pferdehöfe

Die Schwellen stammten unter anderem aus Bahnhöfen bei Hamburg, Hamm und Gronau. Von dort wurden sie an die Käufer geliefert. Vor jedem Verkauf wollen die Angeklagten den Käufern ein Merkblatt („Verwendungshinweise“) zugeschickt und mit Unterschrift versehen zurückgefordert haben.

Polizei und Staatsanwalt wurden aktiv, nachdem ein Pferdehalter angezeigt worden war. Daraufhin durchsuchte die Polizei die Betriebsräume der Firma in Tecklenburg und beschlagnahmte Akten. Zudem wurden Proben von den Bahnschwellen gezogen und im Labor analysiert. In allen untersuchten Proben wurde der Höchstgehalt von 50 mg/kg TS weit überschritten.

Nach den Anzeigen mussten die Pferdehalter bereits eingebaute Bahnschwellen wieder rausreißen und entsorgen. Christof-Hermann D. aus dem Emsland zum Beispiel hatte eine Lkw-Ladung (20 t) für gut 1000 € von dem Bahnausrüster bezogen. Auf Anordnung des Landkreises Emsland ließ der 47-Jährige die Schwellen ordnungsgemäß in einer dafür zugelassenen Abfallanlage entsorgen, was ihn etwa 1000 € kostete.

Dass Hermann-Josef S. und sein Sohn die Bahnschwellen verkauft und so erheblichen Profit gemacht haben, steht für das Landgericht wohl außer Frage. Polizeiobermeister Dieter S. wies als Zeuge darauf hin, dass Kosten von etwa 100 bis 120 €/t anfallen, wenn man alte Holzschwellen ordnungsgemäß entsorgen lässt. Was die Angeklagten der Bahn für die Schwellen bezahlt oder ob sie gar noch Euros für die Abnahme bekommen haben, dazu machten Vater und Sohn vor Gericht keine Angaben.

Verteidiger Prof. Koch versuchte die Aussagen des Gutachters zu erschüttern und wies auf die aus seiner Sicht fragwürdige Rechtslage hin. Anfang Dezember will das Landgericht Osnabrück das Urteil fällen (Az. 7 NS 77/11). Armin Asbrand

Den ausführlichen Bericht lesen Sie in Wochenblatt-Folge 47/2011 auf Seite 101.