Nach zwei sehr trockenen Weidejahren mit ausgeprägten Hitzeperioden, fehlenden Niederschlägen und entsprechend verminderten Erträgen stößt das System der Kurzrasenweide an seine Grenzen. Im vergangenen Jahr mussten viele Landwirte ihre Rinder auf der Weide zufüttern.
Unbekannte Weidesysteme
Aus trockeneren Regionen der Erde kennt man das Holistic- oder Mob-Grazing-System. Beides beschreibt ein ganzheitliches Weidemanagement, eine Art Permakultur (nachhaltiges Konzept auf natürlichen Ökosystemen und Kreisläufen basierend) auf der Weide.
Mob Grazing ist ein Portionsweidesystem, das als nachhaltig gilt. Rinderherden stehen für höchstens zwei Tage auf einem Weidestück, danach liegt die Weide still, regeneriert sich und die Rinder kommen auf das nächste Weidestück.
Regenerative Weidewirtschaft, Holistic-Grazing-Management (auf Deutsch: ganzheitliches Weidemanagement), Mob Grazing und Rational Grazing sind im Wesentlichen dasselbe. Sie beschreiben eine Weideform, die die Aspekte Klimaschutz, Bodenfruchtbarkeit und Tiergerechtheit vereinen soll.
Den Entwicklern und praktizierenden Betrieben nach soll es sich um eine hoch effiziente und ökologisch vorteilhafte Weidestrategie für Wiederkäuer handeln, die die Böden durch Humusaufbau verbessert und den Pflanzenbestand auch bei Niederschlagsmangel vielfältig und ertragsfähig halten soll. Keine der in Deutschland bisher bekannten und angewendeten Nutzungsformen für Weiden entspricht dieser Form des Weidemanagements.
Bodenfruchtbarkeit steigern
Der Aspekt der Bodenfruchtbarkeit wird beim Mob Grazing besonders berücksichtigt: Zum einen wirken die Nährstoffausscheidungen der Weidetiere in Form von Kot und Harn wie bei herkömmlichen Weidesystemen. Kohlenstoff, Stickstoff und andere Haupt- und Mikronährstoffe werden dem Boden zugefügt und fördern die Bodenfruchtbarkeit. Zum anderen kommen die Weidetiere in einen relativ hohen Pflanzenbestand, um Gras zu fressen, aber auch Pflanzenmaterial und Exkremente in den Boden zu treten.
Hohe Besatzdichte
Rinderherden sollen eine begrenzte Fläche kurz beweiden, anschließend folgt eine lange Ruhephase der Weide. Die Rinder „ziehen dem Futterangebot hinterher“.
Die Besatzdichten sind das „Werkzeug im Weidemanagement“ und sind entsprechend hoch zu wählen. Bei diesem Portionsweidesystem sollen die Tiere bei nahezu schnittreifem Bestand (15 bis 20 cm Aufwuchs) auf relativ engem Raum in kleinen Parzellen weiden. Jede Weideparzelle wird nur einmal beweidet und erhält vor erneutem Auftrieb eine Ruhezeit von 20 bis 25 Tagen.
Der erhöhte Aufwuchs bietet ein Mikroklima, in dem weniger Wasser verdunstet und die Pflanzen länger Photosynthese betreiben können. Der hohe Pflanzenbestand schützt den Boden vor Verschlämmung nach Regenfällen. So kann mehr Wasser in den Boden sickern und es wird weniger Oberboden abgeschwemmt.
Vorteilhaft ist, nur die energiereicheren, oberen Teile der Pflanzen fressen zu lassen. Die niedergetretenen Pflanzenstängel bilden eine Mulchschicht und schützen den Boden vor Erosion und Austrocknung. Das so zugeführte organische Pflanzenmaterial erhöht die Bodenfruchtbarkeit und somit das Wasserhaltevermögen.
Die aus den Weideresten entstehende Mulchschicht bildet eine ständige Nahrungsquelle für das Bodenleben zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit.
Weidereste erwünscht
Ganz konkret unterscheidet sich das Mob Grazing als ganzheitliches Weidemanagement von herkömmlichen Weidesystemen also vor allem im Umgang mit den Weideresten: In allen ansonsten bekannten Weidesystemen sind Weidereste unerwünscht, da Futterverluste als Nutzungskosten bewertet werden. Dagegen sind beim holistischen Management Weidereste ausdrücklich erwünscht, da sie Bodenleben und -fruchtbarkeit fördern.
Täglich umtreiben
Wenn die Weideparzellen beim Mob Grazing lang und schmal abgezäunt werden, werden die Gräser bei hoher Besatzdichte zertreten, da sich die Rinder häufiger hin- und her bewegen. Werden die Weideparzellen breit oder zumindest quadratisch eingezäunt, treten die Tiere weniger kaputt. Auf breiteren Weidestücken teilen sich die Rinder gleichmäßiger auf, fressen mehr Weidefutter und die Futternutzung wird optimiert.
Werden die Tiere in kleine Weideparzellen getrieben, wird der Fressdruck erhöht und der höhere Pflanzenbestand gleichmäßig und effizient beweidet. Abhängig von der gewünschten Besatzdichte steht pro Umtrieb weniger Futter zur Verfügung.
Um den Futterbedarf trotzdem zu decken, sind mehrmalige Umtriebe nötig. So werden alle Pflanzen gleichmäßig verbissen. Auf diese Weise werden sogar Unkräuter wie Disteln zurückgedrängt.
Einfach zäunen
Um flexibel zu bleiben und die Besatzdichten den Aufwüchsen anpassen zu können, wird ein ausgeklügeltes Weidezaunsystem benötigt. Weidespinnen können häufiges und zügiges Umtreiben erleichtern, indem sie beim Versetzen über die Weide gleiten bzw. rollen. So entfällt ein zeitaufwendi-ges Weidepfahlversetzen. Um eine Aussage darüber zu treffen, ob sich das ganzheitliche Weidemanagement als Weidesystem für unsere Breitengrade in trockenen und heißen Sommern eignet, müssen zukünftig Untersuchungen gemacht werden.
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