Milch ist knapp – und trotzdem billig?

Anfang des Jahres sah es noch so aus, als ob die Milchmenge weiter zunehmen und der Druck auf die Milchpreise anhalten würde. Diese Einschätzung hat sich inzwischen grundlegend verändert. Selbst für Molkereien überraschend, ist die Milchmenge in fast allen Regionen rückläufig. Dabei hatten viele Betriebe Anfang des Jahres ihre Molkereien wissen lassen, dass sie 4 bis 5 % mehr Milch einplanen könnten.

Jetzt aber reagieren alle Landwirte auf die hohen Kraftfutterpreise. Daran wird gespart, wo immer es geht. Im Schnitt landet pro Kuh und Tag mindestens 1 kg Kraftfutter weniger im Trog. Dass heißt, es fehlen pro Kuh und Tag ungefähr zwei Liter Milch. Das Ungleichgewicht hat auch mit der Hitzewelle Ende Juli zu tun. Niedrigleistende Kühe kommen jetzt nicht wieder in Milch, und mit teurem Kraftfutter will sie niemand hochkitzeln.

So schnell ändert sich die Marktlage. Molkereien, die Lieferverpflichtungen haben, müssen die fehlende Milch auf dem Spotmarkt sehr teuer (38 bis 40 Cent/kg) zukaufen. Entspannung ist vorerst nicht in Sicht. Wie schwierig die Marktlage ist, zeigt sich auch daran, dass die Molkereien diese extreme Differenz zwischen ihrer Verwertung über Milchprodukte (Auszahlungsleistung) und dem Spotmarktpreis nicht verhindern können – obwohl sie annehmen müssen, dass solche Unterschiede zu Unruhe bei ihren Lieferanten führen.

Für die Molkereien wird es immer schwieriger, die fehlende Milch zuzukaufen. Es gibt kaum noch freie Milchmengen, die als Puffer dienen können. Deshalb kostete Spotmilch in Holland zeitweise 45 Cent/kg. In Deutschland werden derzeit rund 38 Cent/kg gezahlt. Selbst Großmolkereien suchen Milch.

Der sogenannte Kieler Rohstoffwert hat mit 30 Cent/kg gegenüber dem Vormonat einen Sprung um 3,2 Cent/kg gemacht. Dieser Wert bildet die theoretische Milchverwertung über Butter und Magermilchpulver ab. Gleichzeitig bekommen die Landwirte in der jüngsten Milchgeldabrechnung nur zwischen 26 und 32 Cent/kg Grundpreis. Berücksichtigt man zusätzlich die um rund 3 Cent/kg höheren Futterkosten, so ist das aktuelle Preisniveau ähnlich schlecht wie das während der Tiefpreisphase 2009.

Eigentlich wäre dies eine gute Ausgangslage für die Molkereien, um mit dem Handel nachzuverhandeln. Denn die Situation ist nicht nur in Deutschland und Europa ähnlich, sondern sogar in den USA spürbar. Schneller als gedacht ist Milch wieder knapp und müsste entsprechend teurer werden. Herbst und Winter mit saisonal niedrigerem Milchaufkommen liegen noch vor uns. Mit einem hektischen Auf und Ab der Preise ist eigentlich niemandem gedient.

Die Auszahlung der fünf großen Molkereigenossenschaften haben sich kaum verändert. Nominal legt FrieslandCampina für die August-Milch 2,0 Cent/kg drauf und zahlt jetzt 32 Cent/kg als Grundpreis. Das Plus wird aber bestimmt vom Herbstmilchzuschlag, der mit 2,45 Cent/kg zu beziffern ist. Das würde darauf schließen lassen, dass die Marktverwertung sogar etwas zurückgegangen ist.
Die Molkerei Walhorn hat den Grundpreis um rund einen Viertelcent angehoben, während DMK, Hochwald und Milch-Union Hocheifel die Auszahlung auf dem Juli-Niveau belassen haben.

Unter Berücksichtigung von der Inhaltsstoffkorrektur, der Staffelzuschläge und der zu zahlenden Kosten errechnet sich eine tatsächliche Auszahlung zwischen 27,48 (MUH) und 34,06 Cent/kg (FrieslandCampina). Dr. Theo Göbbel/ri