Kupieren brisanter denn je

Das Thema Kupierverzicht nimmt bundesweit immer mehr an Fahrt auf. Was passiert aktuell außerhalb von Nordrhein-Westfalen?

In Thüringen haben sich die Amtsveterinäre geschlossen auf einen neuen, härteren Kurs eingeschworen. Peinlich genau achten sie darauf, dass die Sauenhalter die Ferkelschwänze nur um maximal ein Drittel kürzen – so wie es in dem entsprechenden Landeserlass von 2011 festgelegt ist. Betriebe, die sich nicht an diese Vorgabe halten, müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Veterinärämter haben zusätzliche Kontrolleure eingestellt und prüfen die Betriebe derzeit flächendeckend.

Doch längst nicht alle Betriebe kommen mit den etwas längeren Schwänzen zurecht. Offenbar haben Ausbrüche von Schwanzbeißen in einzelnen Betrieben schon zu verheerenden Verlusten geführt. Händeringend suchen die Betriebsleiter bei Experten Rat, wie sie Haltung und Fütterung anpassen können, um das Risiko für Schwanzbeißen zu verringern. Doch eine Patentlösung gibt es nicht.

Das größte Problem: Wer nicht im geschlossenen System arbeitet, droht auf seinen Ferkeln sitzen zu bleiben. Denn die Mäster wollen kein Risiko eingehen und kaufen stattdessen lieber dänische oder holländische Ferkel. Einige haben bereits einen Durchgang Langschwänze mit immensen Verlusten bezahlt und fordern nun Schadenersatz. Langjährige Lieferbeziehungen seien daran schon zerbrochen, ist zu hören.

In Schwerin hat Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus Anfang August das „Tierschutzkonzept Mecklenburg-Vorpommern“ vorgestellt. Dieses schreibt den Verzicht von Eingriffen am Tier ab 2018 vor. Bereits 2012 wurde in Mecklenburg-Vorpommern per Erlass festgelegt, dass das Kupieren auf den Erhalt von mindestens zwei Drittel der anatomischen Schwanzlänge auszurichten ist. Weiter heißt es, dass der Verzicht auf den Eingriff ab dem 1. Oktober 2017 anzustreben ist. Schon jetzt kündigte der Minister an, zusätzliches Personal für Tierschutzkontrollen einzustellen.

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer hatte im Juni angekündigt, von den Plänen für ein gesetzliches Kupierverbot bei Schweinen Abstand zu nehmen und stattdessen eine Prämie für den freiwilligen Verzicht auf das Kupieren zu zahlen. Für die „Ringelschwanzprämie“ von 16,50 € je intaktem Ferkelschwanz (am Schlachthof) haben sich im August 116 Schweinehalter beworben. Bei der Mehrzahl handelt es sich um Öko- oder Neuland-Betriebe, die sowieso auf das Kupieren verzichten.
Auch das Bayerische Landwirtschaftsministerium sucht jetzt Praxisbetriebe, die testweise auf das Kupieren der Ferkelschwänze verzichten. Experten der Fachzentren für Schweinezucht und -haltung an den Landwirtschaftsämtern sollen dabei fachlich unterstützen.

In Schleswig-Holstein haben Landwirtschaftsministerium, Bauernverband, Landwirtschaftskammer und Schweinespezialberatung vereinbart, bis Ende 2016 schrittweise die Vo­raussetzungen für einen flächen­deckenden Ausstieg aus dem Kupieren zu schaffen. Aktuell befindet man sich in Stufe 1 eines Drei-Stufen-Plans. Diese beinhaltet eine Fortführung der Ursachenforschung und eine Informationsoffensive für Berater und Tierärzte. In den Stufen 2 und 3 sollen dann betriebs­individuelle Maßnahmenpläne erstellt und erste Umsetzungsschritte getan werden.

In fast allen Bundesländern laufen aktuell Untersuchungen zum Verzicht auf das Schwänzekupieren. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hat dazu eine Liste im Internet veröffentlicht. Mareike Schulte