Haltern: Forensik mitten im Wald?

Bürger in Haltern wollen verhindern, dass im Naturpark Hohe Mark eine Klinik für psychisch kranke Straftäter errichtet wird. 5 ha Wald müssen weichen. Gibt es keinen besseren Standort im Landgerichtsbezirk Essen?

Nordrhein-Westfalen benötigt neue Plätze für den Maßregelvollzug. Rund 750 Plätze in fünf Einrichtungen sollen bis 2020 geschaffen werden, um Männer und Frauen zu therapieren, die psychisch krank und deshalb schuldunfähig sind. Einer der von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen) ins Auge gefassten Standorte befindet sich mitten im Wald- und Naherholungsgebiet Hohe Mark (Naturpark).

Und zwar auf dem Gelände des Wetterschachtes AV9, der für das Bergwerk Auguste Victoria bis 2018 benötigt wird. Der Standort, etwa 2 ha, gehört der RAG. Rundherum wachsen Kiefern, Fichten, Buchen und Roteichen. Bis Lippramsdorf (3.500 Einwohner) sind es 3 km, bis Haltern (37.000 Einwohner) etwa 8 km.

Wald- und Flächenschutz wird missachtet

Steffens Planung stößt in Haltern auf wenig Gegenliebe. Aus Sicht der Halterner Bürger ist der Standort in der Hohen Mark wenig geeignet. Eine Bürgerinitiative kämpft seit Monaten gegen die Planung und weist unter anderem darauf hin, dass für den Standort mindestens 5 ha Wald gerodet werden müssten. Die Initiative fragt sich, ob der Flächen- und Waldschutz bei den Vertretern der Partei Bündnis 90/Die Grünen nur dann eine Rolle spielt, wenn es ihnen in den Kram passt?

Zudem muss die RAG das Zechengelände nach dem Rahmenbetriebsplan von 1983 nach Aufgabe der Nutzung wieder renaturieren, nämlich mit Wald bepflanzen. Was ist eine solche Verpflichtung wert, wenn sie im Nachhinein nach Gutdünken geändert werden kann? Klaus Kleine Büning, Sprecher der Bürgerinitiative: „Die RAG spart bei dem Geschäft doppelt. Sie kann das Gelände verkaufen und muss die Renaturierung nicht bezahlen.“

Industriebrache als alternativer Standort?

In einem vom Ministerium aufgestellten Kriterienkatalog für die Standortwahl erfüllt der Halterner Standort von 20 Punkten nur 2 – dass die RAG-Fläche groß genug ist und zur Verfügung steht. Da alle anderen Kriterien gegen den Standort in der Hohen Mark sprechen, fragen sich die Halterner Bürger, warum keine Industriebrache im Ruhrgebiet für diesen Zweck reaktiviert wird.

Auf einer Informationsveranstaltung im Herbst 2012 hatte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens die Mitglieder der Bürgerinitiative aufgefordert: „Bitte nennen Sie mir einen Alternativstandort.“ Das haben die Gegner getan. Sie haben dem Ministerium sechs Alternativstandorte vorgeschlagen, darunter ein anderes RAG-Gelände im Waldgebiet Haard. „Nach unseren Informationen prüft das Ministerium, ob unsere Vorschläge geeignet sind“, sagt Kleine Büning.

Die Stadt Haltern will notfalls klagen

Ob die Proteste in Düsseldorf Gehör finden? Nach § 37 BauGB kann das Land NRW die Planung auch gegen den Widerstand der Stadt Haltern durchsetzen, weil es um höherrangige öffentliche Interessen geht. Die Stadt Haltern will alle Rechtsmittel ausschöpfen, falls das Land auf dem RAG-Standort beharrt. Auch auf mögliche Kompromisse wollen sich die Bürger nicht einlassen.

Die Stadt treibt noch eine Sorge um. In den zurückliegenden Jahren sind viele Arbeitsplätze in der Region weggefallen. Die „grüne Stadt am Wasser“ ist hoch verschuldet. Man setzt auf Naherholung und Tourismus. „Eine Forensik-Klinik mitten im Wald wäre gewiss keine Bereicherung für unsere schöne Stadt“, heißt es im Rathaus. Armin Asbrand