„Es fehlen neue Impulse“

Der Koalitionsvertrag steht. Andreas Düser vom Landesverband Erneuerbare Energien e. V. erklärt, welche Konsequenzen er aus den Vereinbarungen im Bereich Erneuerbarer Energien erwartet.

Wochenblatt: Herr Düser, wie bewerten Sie die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, die den Bereich Energie betreffen?

Andreas Düser: Wir sehen den Koalitionsvertrag sehr kritisch. Das Papier wird den künftigen Herausforderungen der Energiewende nicht gerecht. So wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien aufgrund des geplanten gesetzlichen Ausbaukorridors (40 bis 45 % im Jahre 2025, 55 bis 60 % im Jahr 2035) künftig faktisch gedeckelt und kann nicht mehr so dynamisch verlaufen, wie in den zurückliegenden Jahren.

Darüber hinaus wurden Ziele der alten Bundesregierung im Bereich der Energieeffizienz einkassiert. Im Wärme- und Mobilitätsbereich fehlen die Impulse. Auch werden Instrumente, wie zum Beispiel eine CO2-Steuer, die den fossilen Brennstoffeinsatz wirkungsvoll verteuern würden, nicht einmal andiskutiert. Insgesamt haben die Parteien leider verpasst, an zentralen Stellschrauben zu drehen, um die Energiewende in die richtige Richtung zu lenken.

Wochenblatt: Für viele Landwirte ist vor allem das Thema Biomasse von Bedeutung. Wie sieht hier die Ausgestaltung des Koalitionsvertrages aus?

Düser: Ursprünglich sah der Vertrag vor, dass neue Biomasseanlagen nur dann genehmigt werden sollten, wenn sie allein Abfall- und Reststoffe einsetzen. Das wäre jedoch, da die Potenziale von Abfall- und Reststoffen begrenzt sind, das Ende für den Ausbau von Biomasseanlagen gewesen. Wir können froh sein, dass kurz vor Ende der Verhandlungen noch das Wort „überwiegend“ in den Koalitionsvertrag eingebracht wurde.

Den Anbau Nachwachsender Rohstoffe halten wir nach wie vor für sehr wichtig. Ungeachtet einiger regionaler Brennpunkte kann man deutschlandweit auch nicht pauschal von einer „Vermaisung“ der Landschaft sprechen, wie der Koalitionsvertrag das tut. Im vergangenen Jahr ist die Anbaufläche für Mais im Bundesgebiet sogar um rund 2 % zurückgegangen. Bioenergie ist im Gegensatz zu Wind und Sonne steuerbar. Deshalb brauchen wir sie, um auch in Zukunft die Netzstabilität zu gewährleisten!

Wochenblatt: Wie sieht es im Bereich der Windenergie aus?

Düser:
Im Bereich Windenergie enthält der Koalitionsvertrag deutliche Einschnitte. Die Fördersätze sollen insbesondere an windstarken Standorten gesenkt werden. Zu einer teilweise berechtigten Vergütungsanpassung hat der LEE NRW bereits vor einem Jahr Vorschläge gemacht.

Dennoch wiegt ein Vorhaben des Koalitionsvertrages besonders schwer: Der Vertrag lässt sich so interpretieren, als ob neue Windkraftanlagen nur noch dann eine EEG-Vergütung erhalten, wenn sie auf Standorte mit mehr als 75 % des Referenzwertes stehen. Wenn das so kommt, bringt die neue Bundesregierung den derzeit kostengünstigsten regenerativen Energieträger und zugleich eine der zentralen Säulen der Energiewende ins Wanken.

In NRW, wo man 2020 mehr als 15 % des Stroms aus der Windenergie erzeugen will, begräbt diese Regelung die eigenen Ausbauziele. Wir befürchten, dass rund 50 % der Windstandorte, die sich in NRW zurzeit in Planung befinden, aus der Förderung fallen würden. Dies ist umso erstaunlicher, da Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in den Koalitionsverhandlungen Verhandlungsführerin seitens der SPD in der AG Energie war.

Wochenblatt: Sehen Sie weitere Hürden?

Düser: Ein Knackpunkt ist die verpflichtende Direktvermarktung. Kommt sie, müssen Betreiber von Wind- und PV-Anlagen einen Dritten mit der Vermarktung beauftragen. Aufgrund der anfallenden Vermarktungskosten gehen dann ihre Erlös zurück. Diese faktische Vergütungskürzung kann im Zweifelsfall auch das finanzielle Aus für Anlagen bedeuten.

Ein weiteres Problem: Künftig sollen bis zu 5 % der Jahresarbeit von Neuanlagen entschädigungsfrei abgeregelt werden können. Neben Engpässen bei den Netzkapazitäten soll dies explizit auch zur Vermeidung negativer Börsenstrompreise möglich sein. Dies Maßnahme würde jedoch faktisch den Einspeisevorrang unterwandern und die Einnahmen für die Anlagenbetreiber deutlich reduzieren. Darüber hinaus schafft die anvisierte Einführung von Ausschreibungsmodellen oder die Prüfung, ob künftig Erzeuger von Strom aus Erneuerbaren Energien einen Grundlastanteil ihrer Maximaleinspeisung garantieren müssen, weitere Unsicherheit. Katja Stückemann


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