„Die Landwirte müssen 
die Köpfe wieder heben“

Bereits nach wenigen Tagen im Amt muss die neue NRW-Landwirtschafts­ministerin um ihre politische Zukunft kämpfen. Im Wochenblatt-Interview nimmt sie Stellung zum neuen Kurs in der Landespolitik.

Wochenblatt: Als wir dieses Interview angesetzt haben, sollte es vor allem um den neuen Kurs in der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftspolitik gehen. Jetzt kommen wir an den schweren Vorwürfen gegen den Betrieb Ihres Mannes, den Sie beide bis Juni noch gemeinsam geführt haben, nicht vorbei.

Schulze Föcking: Der Betrieb hat eine sehr umfangreiche Stellungnahme abgegeben, in der alles offengelegt und dargestellt wurde. Darüber hinaus hat das Kreisveterinäramt Steinfurt eine Stellungnahme abgegeben zu den amtlichen Kontrollen. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft, das ist ein ganz normaler Vorgang. Daher sehe ich dem Ganzen gelassen entgegen und vertraue auf unseren Rechtsstaat.

"Kein Kommentar"

Wird die Ministerin strafrechtliche Konsequenzen gegen die Stalleinbrecher ziehen? Wie hat sie die öffentliche Kritik, aber auch die Solidarität vieler Landwirte erlebt? Und ist die politische Position von Christina Schulze Föcking nun bei Auseinandersetzungen um das Tierwohl oder das Verbandsklagerecht geschwächt?

Diese und weitere Fragen hätte das Wochenblatt ebenfalls gerne thematisiert. Die Ministerin und ihr Sprecher wollten in Anbetracht der aktuellen Lage hierzu keine Stellung beziehen.

Wochenblatt: Welche Schwerpunkte werden Sie als Ministerin in der Landespolitik setzen?

Schulze Föcking: Ich möchte die entstandenen Gräben wieder schließen. Dafür brauchen wir ein positives Miteinander. Gegenseitiges Misstrauen hilft nicht weiter. Wir müssen die Dinge gemeinsam und auf Augenhöhe anpacken. Und das mit allen Beteiligten. Auch mit den Vertretern des Naturschutzes, beispielsweise dem NABU, habe ich bereits sehr gute Gespräche geführt.

Wochenblatt: Was werden Sie aus den zurückliegenden sieben Jahren grüner Agrarpolitik zurückdrehen?

Schulze Föcking: Ich tue mich mit dem Begriff „zurückdrehen“ schwer. Denn wir müssen mit allen Beteiligten nach vorne schauen. Es ist aber völlig klar, dass wir beim Jagdgesetz, dem Landesnaturschutzgesetz und dem Landeswassergesetz deutlich nachbessern müssen. Darüber werden wir mit allen Beteiligten reden. Ich möchte über fachliche Dinge sprechen, und nicht über Ideologie.

Wochenblatt: Wie werden Sie mit den Nährstoffüberschüssen in einigen Regionen umgehen?

Schulze Föcking: Es ist klar, dass wir das Thema anpacken müssen. Und es ist auch nicht so, dass in dem Bereich in den vergangenen Jahren nichts passiert wäre. Wir sind mit den Wasserkooperationen auf einem guten Weg, auch wenn es sich dabei um ein langwieriges Geschäft handelt. Außerdem müssen wir uns mit dem Nitrat-Messstel­lennetz auseinandersetzen. Wir werden prüfen, ob wir weitere Messstellen brauchen, um ein genaueres Bild zu bekommen. Wir werden uns auch kritisch mit den Ursachen für hohe Nitratwerte auseinandersetzen. Nicht immer ist Landwirtschaft für alles verantwortlich.

Wochenblatt: Viele Landwirte haben die Sorge, dass sie mit Umsetzung der JGS-Anlagenverordnung viel Geld in die Abdeckung von Güllebehältern oder die Nachrüstung von Fahrsilos investieren müssen, ohne einen einzigen Euro dadurch mehr zu verdienen. Wie gehen Sie damit um?

Schulze Föcking: Wir sind uns der Sensibilität des Themas bewusst und werden den Entwurf ent­sprechend genau unter die Lupe nehmen.

Wochenblatt: Allein in der Zeitspanne 2010 bis 2016 haben 40 % aller Sauenhalter und 23 % der Milchviehhalter in Nordrhein-Westfalen ihre Produktion eingestellt. Wollen Sie diesen Strukturwandel hinnehmen?

Schulze Föcking: Wir hatten in den vergangenen Jahren eine wirtschaftliche Situation, die gerade für die Milchvieh- und Schweinehalter sehr schwierig war. Das hat viele mürbe gemacht. Was hinzukam, war die schlechte öffentliche Wahrnehmung der Branche. Daran gilt es etwas zu ändern. Die Landwirte müssen die Köpfe wieder heben. Sie müssen zeigen, mit wie viel Liebe in der Landwirtschaft gearbeitet wird – und das sieben Tage die Woche.

Wochenblatt: Davon allein ist noch kein wirtschaftlich angeschlagener Betrieb gerettet …

Schulze Föcking: Strukturwandel wird es immer geben. Viel zermürbender als das Auf und Ab des Marktes sind aber die Dauerdiskussionen um die heutige Landwirtschaft. Dabei machen die meisten Landwirte ihren Job sehr ordentlich.

Wochenblatt: Betriebsleiter, die in einen neuen Stall investieren möchten, müssen diesen über 20 Jahre und mehr abschreiben. Umweltministerin Barbara Hendricks empfiehlt ihnen, einen Filter auf den Stall zu setzen, Ihr Kollege Christian Meyer aus Niedersachsen hätte lieber einen Auslauf. Wie bekommen die Bauern die nötige Planungssicherheit, was in 5, 10 oder 20 Jahren noch erwünscht ist?

Schulze Föcking: Wir brauchen in der Tat verlässliche Rahmenbedingungen, allein schon um die dringend benötigten jungen, gut ausgebildeten Nachwuchskräfte in der Landwirtschaft zu halten. Deshalb brauchen wir Übergangszeiten, mit denen die Betriebe arbeiten können – beispielsweise beim Kastenstand in der Sauenhaltung. Vor allem müssen wir wieder die Fachlichkeit in den Vordergrund stellen. Nicht alles, was dem menschlichen Auge gefällt, ist auch für Nutztiere gut. Wir müssen vielmehr vom Tier her denken. Dabei müssen wir ehrlich benennen, was geht und was nicht geht. Beispiel nicht-kurative Eingriffe: Die bisherigen Studien von konventionellen wie biologischen Betrieben belegen, dass wir noch nicht des Rätsels Lösung gefunden haben. Unsere Aufgabe ist, Ökologie, Ökonomie und Soziales wieder in Einklang zu bringen. Deshalb bleiben wir an dem Thema dran und werden weiter in die Erforschung der Ursachen investieren. (Matthias Schulze Steinmann / Anselm Richard)

Das vollständige Interview lesen Sie in Wochenblatt Ausgabe 30/2017 auf den Seiten 16-17.