Chronischer Botulismus in Milchviehherden? Was ist dran?

Besonders in Norddeutschland, in Schleswig-Holstein, Weser-Ems und Teilen Mecklenburg-Vorpommerns, häufen sich die Berichte über ähnliche Krankheitsfälle, die mehr oder weniger heftig verlaufen. Ursachen und deshalb auch Prophylaxe und Therapie sind bisher umstritten.

Vielfach wird angenommen, dass es sich bei dem oben beschriebenen Symptomkomplex um eine chronische Vergiftung und Infektion mit dem Clostridium (C.) botulinum handelt. Um Erfahrungen und Forschungsergebnisse auszutauschen, veranstaltete die Agrar- und Veterinärakademie (AVA) ein zweitägiges Fortbildungsseminar zum Thema „Botulinumtoxikosen bei Mensch und Tier – Chronischer Botulismus in Milchviehherden? Was ist dran?“. Am ersten Tag stellten insgesamt zwölf Experten aus Wissenschaft und Praxis ihre Erfahrungen und Forschungsergebnisse vor. Ein einheitliches Fazit konnten sie leider nicht formulieren: Dazu fehlt noch viel Wissen.

Die wichtigsten Aussagen

Es gibt verschiedene Clostridienarten, die alle am Abbau organischer Substanz beteiligt sind. Damit haben sie eigentlich eine sehr nützliche Aufgabe. Einige der Clostridienarten - wie das C. botulinum – können unter bestimmten Bedingungen jedoch starke Toxine produzieren. Botulismus ist schon lange bekannt als eine Vergiftung, die nach dem Verzehr von verdorbenen Lebensmitteln (oder Futter) auftritt und oft und schnell zum Tod führt.

Wurden Tiere, Kot und Futter in betroffenen Betrieben untersucht, wurden auch Keime und Toxin des Clostridiums (C.) botulinum gefunden, häufig in signifikant höherem Ausmaß als bei gesunden Tieren. Allerdings kommt der Keim, so Prof. Dr. Monika Krüger, Tierärztin an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig, Institut für Bakteriologie und Mykologie, natürlicherweise unter anderem im Boden und eben auch im Magen-Darm-Trakt von Säugetieren, einschließlich des Menschen vor. Bei einer gesunden, voll ausgebildeten Darmflora ist das normalerweise auch nicht schlimm: der Keim kann nicht siedeln. „Für die Besiedlung des Magen-Darm-Traktes“, erklärte Krüger, „ist eine gestörte Magen-Darm-Trakt-Flora Voraussetzung.“

Dr. Birgit Schwagerick, Tierärztin beim Rindergesundheitsdienst in Mecklenburg-Vorpommern sagte, dass bei Beständen, in denen viszeraler Botulismus vorliege, also eine Vermehrung des C. botulinum im Darm stattfinde, auch andere Clostridien zu finden seien. Dies sei unter anderem der Erreger von Rauschbrand, C. chauvoei. In den Gebieten, in denen vermehrt die oben benannten Krankheitssymptome auftreten, kommt es auch zu einem vermehrten Auftreten von Rauschbrand. Ebenso häufig wird C. perfringens gefunden. Im Gegensatz zu C. botulinum kann dieses Clostridium sehr wohl die Darmschleimhaut zerstören.

Bestimmte Grassilagen rufen Botulismus-Symptome hervor

Nach der Erfahrung von Dr. Klaus Eicken, Tierarzt aus Ovelgönne in Niedersachsen, Landkreis Wesermarsch, ist der Einsatz bestimmter Grassilagen für das Krankheitsbild verantwortlich. In diesen Silagen, so Eicken, käme es durch einen zu starken Reineiweißabbau (< 50 % im Rohprotein) schließlich zu einer Zunahme der „freien Aminosäuren“. Die Folgen seien ca. acht bis zwölf Wochen nach dem ersten Verfüttern zu sehen. Die Tiere entwickeln Botulismus-Symptome.

Ein Impfstoff gegen C. botulinum ist in Deutschland nicht zugelassen. Mit einer Ausnahmegenehmigung kann jedoch geimpft werden. Nach der Impfung verbessert sich der Gesundheitszustand vieler Tiere. Stark erkrankte Rinder sterben jedoch oft. Eine einmalige durchschlagende Lösung scheint die Impfung nicht zu sein. Dr. Hans Matthias Clausen, Tierarzt aus Viöl in Schleswig-Holstein sagte: „In einem ehemaligen Impfbetrieb erkrankten Zukaufskühe, die neu in den Bestand kamen. Das lässt vermuten, dass in einem einmal betroffenen Betrieb durch den geschlossenen Gülle- und Tierkreislauf auch ein Clostridienkreislauf aufrecht erhalten bleibt.“ stü

Den ausführlichen Tagungsbericht lesen Sie in Wochenblatt-Folge 40/2010.