3.500 € Verlust – pro Tag

Warum der Milchhof Diera KG in Sachsen trotz der niedrigen Milcherlöse gelassen in die Zukunft blickt. „Die Bank kann uns gar nicht pleitegehen lassen“, sagt Geschäftsführer Mirko Schlunke.

Mit Galgenhumor begrüßte Mirko Schlunke Ende Mai seine Gäste.

Obwohl sein Unternehmen, der Milchhof Diera KG, erst 2013 rund 4,2 Mio. € in einen neuen Boxenlaufstall mit Melkzentrum sowie neue Gülle- und Silageanlagen investiert hat und die Sachsenmilch AG jetzt gerade noch 22 bis 23 Cent pro kg Milch (+ MwSt.) auszahlt, zeigte sich der junge Geschäftsführer gelassen. „Jeden Tag fehlen uns zwar 3.000 bis 3.500 € Milchgeld, weil unsere Gestehungskosten bei 26 bis 27 Cent liegen. Doch die Bank kann uns gar nicht pleitegehen lassen. Dann würden die neuen Anlagen ja leer stehen. Wir müssten unser Vieh verkaufen und alle Leute nach Hause schicken.“

Spitzenbetrieb in Sachsen

Zwei Familien bewirtschaften den östlich der Elbe im Landkreis Meißen gelegenen spezialisierten Milchviehbetrieb mit 1.500 Kühen und 770 ha Fläche als Kommanditgesellschaft (KG). Die vier blitzsauberen Boxenlaufställe, das neue Melkzentrum, sämtliche Außenanlagen und eine Milchleistung von 11.256 kg je Kuh lassen keinen Zweifel aufkommen: Der Milchhof Diera gehört zum Besten, was das Land Sachsen in puncto Milchvieh zu bieten hat. „Wenn der Staat uns jetzt hängen lässt“, so die Botschaft des Geschäftsführers, „dann haben alle Milchbetriebe in den neuen Ländern keine Chance mehr ...”

Der Milchhof war 2004 durch Fusion der Milchhof Diera GbR und der Milchgut Kmehlen GmbH entstanden. Doch schon 1994 und 1997 hatten die Vorgänger zwei neue Laufställe am Ortsrand von Diera gebaut. 2004 und 2013 kamen zwei weitere Ställe dazu. Daneben gibt es noch 80 Kuhplätze im Laufstall auf Stroh sowie 900 Plätze im Jungrinderstall. Die Kälber werden auf Stroh aufgezogen.

Probleme, Besonderheiten

Heute führen Mirko Schlunke und sein Bruder das Unternehmen. Ihr Vater war bereits zu DDR-Zeiten ein namhafter Züchter. Im Gespräch mit Mitgliedern der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG) wies Schlunke auf

Betriebsspiegel Milchhof Diera KG
750 ha LN (davon 600 ha gepachtet), 490 ha Acker, 260 ha Grünland, 20 bis 80 Bodenpunkte, 540 mm Regen
Alle Maschinen zur Silagebereitung und Gülleausbringung (u. a. 280 ha Silomais, 220 ha Luzerne, 150 ha Maiszukauf, Pflugtausch mit zwei Ackerbaubetrieben)
1.500 Milchkühe plus Nachzucht, 11.265 kg/Kuh (4,24 % Fett, 3,38 % Eiweiß). Rund 50.000 kg Milch pro Tag an Sachsenmilch AG in Leppersdorf (Konzern Müller Milch)
50er-Außenmelker-Melkkarussell (Lemmer-Fullwood)
25 Voll-AK, vier Lehrlinge. Verdienst: 10,60 €/h plus Zulagen
175-kW-Biogasanlage (100 % Gülle) plus 150-kW-PV-Anlage
Eigentümer: zwei Familien in einer Kommanditgesellschaft (KG)

Folgendes hin:

  • Topleistungen im Kuhstall und bei der Silagebereitung erzielen wir nur, weil wir ein motiviertes Team haben. Die KG beschäftigt Männer und Frauen aus der Umgebung. Sie erhalten eine Grundvergütung von 10,60 €/Std. Dazu kommen Zuschläge für Feiertags-, Nacht- und Wochenendarbeiten.
  • Die Kühe werden dreimal am Tag in zwei Schichten im 50er-Melkkarussel gemolken. Alle Kühe tragen das DPP-Präzisionspedometer am Fuß. Es erfasst die Liege- und Stehzeiten der Kühe. Damit kann man ablesen, ob sich die Tiere bewegen, also gesund oder auch brünftig sind.
  • Die KG hat etwa 85 % der bewirtschafteten Flächen gepachtet. Für Acker zahlt Schlunke im Schnitt 300 bis 350 €/ha, für Grünland weniger. Ein Problem sind die oft sehr kleinen Schläge und weiten Entfernungen zu den Pachtflächen. Derzeit tauscht der Milchhof seine Flächen mit zwei Ackerbaubetrieben auch aus Gründen der Fruchtfolge. Eine eingeleitete Flurbereinigung wird bald für größere Schläge und kürzere Wege sorgen.
  • Oft fehlt im Frühjahr der Regen. Schlunke baut deshalb 220 ha Luzerne und 110 ha Grünschnittroggen als Maisvorfrucht an. Ferner kauft er jedes Jahr etwa 150 ha Maissilage zu.

Beim Bau des neuen Kuhstalles 2013 hatte Schlunke mit Milcherlösen von wenigstens 27 bis 28 Cent kalkuliert. Der Milchhof erzielt im Schnitt 4 bis 5 Mio. € Umsatz im Jahr, die 2009 gebaute Biogasanlage kommt dagegen nur auf 300.000 €. „Mit dem Biogas können wir die Verluste in den Kuhställen nicht ausgleichen“, sagt der Betriebsleiter.

Wer bleibt, wer geht?

Welche Milchviehbetriebe werfen in den neuen Ländern zuerst das Handtuch, wenn die Molkereien weiter so schlecht auszahlen? Mirko Schlunke dazu: Zuerst hören die kleinen Betriebe auf, die in älteren Ställen wirtschaften und wenig Eigenkapital besitzen. Sie werden kein Geld mehr in einen neuen Kuhstall investieren.

In den neuen Ländern gibt es aber auch noch viele Nachfolgeunternehmen der untergegangenen LPGs, die neben Ackerbau, Sonderkulturen, Mutterkühen und Rindermast auch noch Milchkühe oft in älteren Stallanlagen halten. Die Chefs dieser Betriebe, sagt Schlunke, überlegen ebenfalls, die Kühe abzuschaffen, ältere Mitarbeiter in Rente zu schicken und ganz auf den Ackerbau zu setzen.

Barbara Fischer vom Sächsischen Landesamt für Landwirtschaft: „Keine Wahl haben jedoch die großen spezialisierten Milch­vieh­betriebe. Sie haben investiert und müssen ihre Kredite zurückzahlen. Die meisten dieser Betriebe haben Förderdarlehen mit einer Zweckbindungsfrist aufgenommen. Sie müssen weitermelken, sonst müssten sie die Fördermittel zurückzahlen.“ Armin Asbrand