Verkehrsplaner auf Geisterfahrt

Während die Bundesregierung offiziell den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 ha pro Tag senken will, scheinen sich die Fachressorts mit den anhaltend hohen Bodenverlusten abgefunden zu haben.

Dafür sprechen nicht nur die seit Jahren fast konstante Inanspruchnahme von täglich rund 70 ha – sondern auch das praktische Handeln und Nichthandeln der verantwortlichen Minister.

Jüngstes Beispiel ist der von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vorgelegte Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2016 (BVWP). Das 200-Seiten-Werk legt nicht nur fest, in welche Straßen-, Schienen- und Wasserstraßen der Bund bis 2030 rund 265 Mrd. € investiert. Es offenbart auch den Stellenwert, den der Schutz fruchtbarer Böden im Regierungsalltag hat – nämlich allenfalls den einer Randnotitz.

Worum geht es? Verkehrsprojekte wie der Bau neuer Bundesstraßen gehen immer mit Konflikten einher und stehen in Konkurrenz zu anderen Infrastrukturvorhaben. Deshalb bewerten Planer die unterschiedlichen Projekte anhand einer Nutzen-Kosten-Analyse und wägen die jeweiligen Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Das ist gut und richtig. Schließlich lässt sich im konkreten Einzelfall immer trefflich über den Sinn und Unsinn eines Bauprojektes streiten.

Umso fataler ist, dass bereits das Fundament des Planungsrahmens einen kapitalen Konstruktionsfehler aufweist: Während auf der Nutzenseite der Projekte jeder noch so indirekte Vorteil in die Waagschale geworfen wird, fallen die negativen Effekte für die Landwirtschaft unter den Tisch. Konkret stehen einer einzelnen Kostenstelle (Baukosten der Straße) ganze zwölf Nutzenpositionen gegenüber (kürzere Transportzeiten, höhere Verkehrssicherheit, Reduzierung von Abgasen, ...). Selbst die höhere „Zuverlässigkeit der neuen Strecke“ oder die „Verminderung innerörtlicher Trennwirkungen“ (Wartezeiten und Umwege für Fußgänger) werden mit Geldeinheiten bewertet und berücksichtigt.

Umsatzeinbußen der Landwirte oder Verschlechterungen der Agrarstruktur fehlen dagegen genauso in der Berechnung wie Angaben zu den tatsächlichen Flächenverlusten. Angesetzt wird in der Regel lediglich die Fläche der Straßentrasse selbst. Durch Dämme, Böschungen und die nötigen Anbindungen sowie den Naturschutzausgleich geht den Landwirten in der Praxis das Fünffache und mehr verloren. Das haben nicht zuletzt die jüngsten Diskussionen um die B 64n im Kreis Warendorf wieder einmal eindrucksvoll bestätigt.

Im Ergebnis lässt die Systematik selbst fragwürdige Projekte rentabel erscheinen, während das Thema Flächenverbrauch ein Schattendasein in begleitenden Umweltberichten fristet. Diese Geisterfahrt gilt es dringend zu beenden. Noch läuft die Anhörungsphase zum unausgegorenen Entwurf.