Überraschung!?

Drei Jahre lang hat das Bundeskartellamt akribisch befragt, untersucht und analysiert. Jetzt wissen alle Bescheid: Die Marktmacht großer Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel ist bedenklich.



Ach was, so eine Überraschung aber auch!

Seit mindestens 20 Jahren klagen beispielsweise Molkereien und Fleischvermarkter über das Ungleichgewicht auf den Märkten für Lebensmittel – ohne jeden Widerhall bei den zuständigen Behörden. Während Produzentenvereinigungen vom Kartellamt überkritisch unter die Lupe genommen wurden, wenn es um Zusammenarbeit oder Verschmelzung ging, hatte der Handel freie Bahn. Anders lässt sich nicht erklären, dass heute vier Unternehmen den deutschen Markt für Lebensmittel dominieren und zusammen für 85 % der Umsätze in diesem Bereich stehen.

Immerhin: Jetzt hat der Wecker geklingelt. Das Bundeskartellamt will künftig verstärkt darauf achten, ob Zusammenschlüsse und Allianzen im Handel genehmigungsfähig sind oder nicht. Schade, dass niemand früher wach geworden ist.

Der ungebremste Wachstumswille der Handelskonzerne hängt freilich auch mit dem gnadenlosen Wettbewerb zusammen. Dumpingangebote oder das Massengeschäft müssen für Umsatz sorgen. Und Rabattaktionen gibt es ohne Ende. Gleichzeitig gibt es ein gigan­tisches Überangebot an Verkaufsfläche. Nirgendwo in Europa wird der Verbraucher so umworben wie hierzulande. Das liegt auch daran, dass Einkaufszentren und Supermärkte im Überfluss von den Kommunen genehmigt worden sind.

Nein, die Ergebnisse der Sektoruntersuchung sind gar keine Überraschung. Umso wichtiger ist es, jetzt die Fehlentwicklung zu stoppen, besser noch zurückzudrehen. Das wäre eine lohnende Auf­gabe.