Es war einmal die Solidarität ...

Viele Landwirte, ihre Frauen und Kinder fühlen sich in diesem Sommer existenziell bedroht. Da wird nicht nur der Umgangston rauer, sondern auch die Sitten – sogar untereinander.

Von Romantik keine Spur. Wer in diesen Wochen mit Bauern spricht, der fühlt oft genug Ratlosigkeit oder gar Verzweiflung.

Ferkel-, Schweine- und Milchpreise auf niedrigstem Niveau, regional Probleme mit der Trockenheit, dazu allerorten öffentliche Angriffe von Medien, Umwelt- und Tierschützern. Viele Landwirte, ihre Frauen und Kinder fühlen sich in diesem Sommer existenziell bedroht. Manche resignieren und ziehen sich zurück, andere reagieren zunehmend dünnhäutig und aggressiv.

Da wird nicht nur der Umgangston rauer, sondern auch die Sitten – sogar untereinander. Mehr und mehr drängt sich der Eindruck auf, dass im Alltagsgeschäft die Ellenbogen ausgefahren werden. Die Solidarität mit den Nachbarn oder mit den Berufskollegen überhaupt gerät ins Hintertreffen.

Am stärksten zu spüren ist die Anspannung auf dem Grundstücksmarkt. Wer wachsen will oder Flächenverluste kompensieren muss, der muss den Eigentümern heute oft Preise bieten, die jenseits jeglicher Vernunft liegen. Betriebswirtschaftlich sinnvolle Kalkulationen stehen meist nicht dahinter. Und wer verpachten oder verkaufen will bzw. muss? Der nimmt, was er kriegen kann. Nicht selten wird per Ausschreibung und anonym angeboten; den Zuschlag bekommt nur der Höchstbietende. Ob der Nachbar die Fläche auch gern genommen hätte, spielt keine Rolle.

Gewachsene Beziehungen werden auf dem Altar der schnellen Kasse geopfert. Schlimmer noch: Viele Verpächter erhalten schon vor dem Ende der laufenden Verträge „unmoralische“ Angebote von Interessenten, die die bisherigen Pächter ausbooten wollen. Verstärkt wird der innerlandwirtschaftliche Wettbewerb noch durch die Spezialisierung. Welcher Sauenhalter kennt heute noch die Sorgen seines melkenden oder Hähnchen mästenden Nachbarn und umgekehrt? Da schwindet das gegenseitige Verständnis.

Wer unter starkem wirtschaftlichem Druck steht, kommt möglicherweise in Versuchung, Vorschriften zum eigenen Vorteil „großzügig“ auszulegen. Diese sogenannten schwarzen Schafe sind es aber, die das Bild der Landwirtschaft in der medialen Öffentlichkeit prägen. Das darf nicht sein. Wer so handelt, ist rücksichtslos gegenüber seinen Berufskollegen.

Wenn die Landwirte – nicht einmal mehr 2 % der deutschen Bevölkerung – fortfahren, sich gegenseitig zu demontieren und gegeneinander zu arbeiten, schneiden sie sich ins eigene Fleisch. Nur eine starke Gemeinschaft der Bauern hat die Chance, von der Gesellschaft gehört und ernst genommen zu werden. Allein die Interessen einzelner oder kleiner Gruppen in den Vordergrund zu stellen, ist unklug und spielt den gut organisierten Gegnern der Landwirtschaft in die Karten. Solidarität stellt man sich anders vor.