Blick von außen

Das Dorf in der Corona-Krise

Sind die Dörfer und der ländliche Raum Gewinner oder Verlierer der Pandemie?

In den zurückliegenden 15 Monaten hat das Land seine Stärken gezeigt, aber auch seine besonderen Belastungen und – hoffentlich zeitlich begrenzten – Verluste erlebt. Dem Dorf fehlen die zahlreichen lokalen und regionalen Veranstaltungen und Feste im Jahresrhythmus wie Ostern, Fronleichnam, Weihnachten, Schützen- und Feuerwehrfeste, Kirchweih- und Adventsmärkte, aber auch die vielen überregional bedeutsamen Festspiele, Pop- und Klassikkonzerte, die vielfach auf dem Lande unter freiem Himmel oder in Bauernhäusern, Gutshöfen, Schlössern, Burgen oder ehemaligen Klöstern stattfinden.

Die Gemeinschaft fehlt

In den Dörfern vermisst man die für das Gemeinschaftsleben noch wichtigen Begräbnis-Veranstaltungen, an denen häufig noch das „halbe Dorf“ teilnimmt. Auftritte der verschiedenen Musik-, Gesang- und Kulturvereine finden kaum noch statt.

Die vielfältigen Übungs- und Trainingsangebote in allen Dorfvereinen mussten weitgehend ausfallen, dies war besonders schmerzhaft für den Kinder- und Jugendbereich. Auch die regelmäßigen Treffen in Versammlungen und Besprechungen der Vereine, die Begegnungen im Dorfgasthof fielen der Pandemie zum Opfer. Die meisten Gasthöfe, Restaurants und Cafés erleiden derzeit herbe Verluste, nicht wenige mussten bereits schließen.

Generell zeigt sich das Land aber als Gewinner der Corona-Krise. Die überregionalen Medien und Zukunftsforscher berichten positiv über das Land und seine Werte, die eigentlich immer schon bekannt waren, nun aber neu entdeckt und mit Leben gefüllt werden. Immer mehr junge und kreative Menschen verlassen die Großstädte, ziehen – oft in kleinen Gruppen – aufs Land und bringen viele Ideen des Arbeitens und Zusammenlebens mit. Der Slogan lautet: Hipster erobern das Land.

Auf der Suche nach Ruhe

Die Großstadtflüchter sehen die massiv steigenden Corona-Fälle, die hohen Mieten, das Gedränge in den öffentlichen Parks, die geschlossenen Läden, gastronomischen Betriebe, Museen, Opern- und Konzerthäuser in ihren Städten. Sie suchen auf dem Land die menschenleere Natur, die Ruhe und die kleinen vertrauten Gemeinschaften. Selbst kleinere Dörfer und dünn besiedelte Landkreise wie die Uckermark bieten nun plötzlich mehr Anreize und Sicherheit als das Massenwohnen in den Metropolen.

In der Arbeitswelt ­zeigen die Corona-Erfahrungen, dass ein Großteil der Bürotätigkeiten in das Homeoffice verlagert werden kann. Damit offenbaren sich für das Erwerbsleben auf dem Lande zahlreiche neue Chancen. Gerade für Familien mit Kindern wird das Landleben somit noch attraktiver.

Baut digitale Netze aus!

Bund, Länder und Gemeinden sind nun ­aufgefordert, die sich hier zeigenden Möglichkeiten einer Revitalisierung des Landlebens zu unterstützen. Das Wichtigste ist zunächst der entschlossene Ausbau der digitalen Kommunikationsnetze Breitband, Glasfaser und Mobilfunk bis ins letzte Dorf, wie es im 19. Jahrhundert mit den Schulen in ganz Deutschland ­passierte. Außerdem sollte der Staat dringend Anreizeschaffen, die vielfach brachliegenden Gebäude auf dem Lande zu ­reaktivieren. In zahllosen Kleinstädten, Dörfern und Weilern warten ehemalige Bauern- und Gutshäuser, stillgelegte Fabriken, Schulen,

Gasthöfe, Molkereien, Krankenhäuser und Bahnhöfe darauf, saniert und mit neuem Leben gefüllt zu werden. Oft sind es gerade die dorfbildprägenden und identitätsstiftenden Gebäude, deren Instandsetzung auch der leider gern vernachlässigten regionalen Baukultur zugute käme. Nicht zuletzt würde man durch diese „Innenentwicklung“ die Dorfkerne stärken und den weiteren Flächenverbrauch an den Dorfrändern begrenzen. In mehrfacher Hinsicht sind das schöne Aussichten für das Land.

Wochenblatt und Westfälischer Heimatbund

Digitales Forum präsentiert Dorfideen mit Weitblick

von Gisbert Strotdrees / Silke Eilers (WHB)

Am heutigen Montag, 5. Juli, beginnt um 18 Uhr das Digitale Forum zur Zukunft ländlicher Räume: Mit Gästen aus Dorf- und Heimatvereinen, Landwirtschaft, Politik und Wissenschaft.