Gastkommentar

Zum Erntedanktag 2021: Globales Miteinander

Alle reden gerade über den Ausgang der Wahlen und über die künftige Regierung im Bund. Aber wer redet über Erntedank? Wer über die Welternährung und über faire Ernährungssysteme?

Der Gedanke des Erntedankfestes ist ein wichtiger Impuls für die Arbeit der Welthungerhilfe, weil er den Blick über die individuelle auf die globale Situation richtet: auf den seit mehreren Jahren wieder zunehmenden Hunger in der Welt und darauf, sorgsam mit der Natur und Ernten umzugehen. Wir werden aufgefordert, tragfähige Lösungen für die Beseitigung von Hunger, faire Ernährungs­systeme, nachhaltige Landwirtschaft und Klimaschutz zu finden. Dafür brauchen wir in allen Lebensbereichen Änderungen, um mit den vorhandenen Ressourcen nachhaltig zu wirtschaften.

Laut Vereinten Nationen hungerten 2020 weltweit zwischen 720 und 811 Mio. von 7,7 Mrd. Menschen. Das ist jeder zehnte Mensch. Die Gründe sind vielfältig: Kriege und Konflikte, Klimawandel, Armut und Ungleichheit.

Armut in ländlichen Räumen

In vielen Entwicklungsländern des globalen Südens arbeitet die Mehrheit der Menschen in der Landwirtschaft. Doch oft kann dieser Sektor nicht in ausreichendem Maße für Ernährung, ­Beschäftigung und Einkommen sorgen. Obwohl viele schon heute ihre Einkommen durch ergänzende Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft geringfügig aufbessern, ist wirtschaftliche Armut eines der herausragenden Probleme in ländlichen Räumen.

In vielen Projektländern der Welthungerhilfe werden die ländlichen Räume vernachlässigt und es fehlt die nötige Infrastruktur wie Straßen oder regionale Verarbeitungszentren wie Mühlen. Die Regierungen müssen auf dem Land funktionierende staatliche Institutionen schaffen. Die gezielte Förderung von Gewerbe und regionalen Märkten – speziell in vor- und nachgelagerten Bereichen der Agrarproduktion – sind von entscheidender Bedeutung, um Beschäftigung und neue Einkommensquellen für die Landbevölkerung zu erschließen.

Der Norden ist in der Pflicht

Viele Produkte aus dem globalen Süden werden zunehmend umweltfreundlicher produziert: Baumwolle, Kaffee, Tee, Kakao wie auch Palmöl oder Zuckerrohr – das ist richtig und wichtig. Trotzdem hungern gerade Kleinbauern und ihre Familien oftmals mehrere Monate im Jahr oder sind mangelernährt, denn Hunger wird in der Nachhaltigkeitszertifizierung bislang nicht berücksichtigt.

Deshalb ist in Entwicklungsländern die Förderung der armen Klein- und Subsistenzbauern hin zu einer wirtschaftlich tragfähigen ­sowie sozial und ökologisch nachhaltig produzierenden Bauernschaft einer der wichtigsten Hebel, um Hunger und Armut zu überwinden. Hier müssen wir uns als globaler Norden in die Pflicht nehmen, die Wahrung von Nachhaltigkeits- und Sozialstandards einzufordern, umzusetzen und entsprechend zu konsumieren.

Globaler Ernterückgang nach Klimawandel

In den vergangenen 30 Jahren hat der Klimawandel einen globalen Ernterückgang verursacht – in Afrika und Südamerika am deutlichsten. Die fatale Verbindung zwischen Klimawandel und Welternährung spüren wir zunehmend. Zyklone wie 2019 in Mosambik, Malawi und Zimbabwe zerstören nicht nur Häuser, Schulen und Straßen, sondern vor allem Felder und damit die Ernten für die kommende Monate. Präventionsmaßnahmen spielen daher eine zunehmend wichtige Rolle. Frühwarnsysteme, Wetterversicherungen, dürreresistentes Saatgut und innovative Anbaumethoden können Landwirtschaft widerstandsfähiger machen. Das können die betroffenen Länder nicht allein bewältigen, sie brauchen finanzielle und logistische Unterstützung der Länder, die die Hauptverantwortung für den Klimawandel tragen.

Der Klimawandel muss gestoppt, die Biodiversität muss erhalten werden. Neben einer umweltfreundlichen Landwirtschaft müssen vor allem die Menschen, die eine Vielzahl der Rohstoffe herstellen, die wir tagtäglich konsumieren, in den Fokus rücken. Denn am Ende ist der Gedanke des Erntedanktages eben auch einer der Solidarität, des Miteinanders, der Würde der Natur und des Menschen.