Ich möchte Ihnen einen Einblick in ein privates Projekt geben: Mein Internet-Blog „Weidefunk“ steht zwischen „Landwirtschaft“ und „Veganismus“. Ich war gut 25 Jahre Veganerin, möchte aber heute die Menschen über den Weidefunk zu einem bewussten Konsum von Fleisch und Milch motivieren und Informationen über die Landwirtschaft vermitteln.
Der Weidefunk spricht also Menschen an, denen an der Existenzerhaltung klein- und mittelbäuerlicher Betriebe gelegen ist und die „normal“ Fleisch und Milch konsumieren, es in Zukunft aber bewusster machen wollen – etwa, indem sie eine bestimmte Tierhaltung kennenlernen oder unterstützen wollen. Das schmeckt nicht jedem.
Angriffe ohne Ankündigung
An einem Dienstagabend starte ich auf Instagram einen Post zum Thema „Bewusster Fleischeinkauf“. Viele Kommentare von Landwirten treffen ein, die sich und ihre Höfe wertgeschätzt fühlen. Ich möchte, dass die Menschen sensibler für die Herkunft und damit für die Arbeit der Menschen hinter der Tierhaltung werden.
Aber dann geht es wie aus heiterem Himmel los. Unter meinem Instagram-Post taucht plötzlich dieser Eintrag auf: „Du versuchst einen Holocaust zu rechtfertigen, indem man den Ursprung der Leiche kennt!“ Ehe ich mich versehe, werden es mehr:
- „Tiere sind keine Lebensmittel, Tiere wollen leben!“
- „Du rufst zu einer Reduktion von Fleischkonsum auf! Was soll das?! Es gibt auch keine halben oder weniger Serienmörder, Kinderschänder und Vergewaltiger! Was sie tun, ist immer total!“
- „Ich wünsche Dir, dass Du Dein Pferd am Ende seines Lebens zum Schlachter bringen musst und selbst am Abzug stehen musst!“
Hier spricht ein Kollektiv, das sich zur Aufgabe gemacht hat, keine Grauzone zu dulden, sondern nur Schwarz und Weiß kennt, nur „Gut“ und „Böse“, nur sich – und die „verdammten“ anderen. Nach dem Muster: „Du isst Fleisch? Dann bist Du Feind. Und Du wirst sprachlich bekämpft.“
Landwirte können das auch
Doch das ist nur die eine Seite. Denn auch aus der landwirtschaftlichen Ecke kommt das Schwarz-Weiß-Gut-Böse-Denken. Beispiel gefällig?
- „Dieses blöde Pack sollte man im Wald aussetzen, und dann sollen sie mal sehen, was die da essen!“
- „Veganer gehören zu den gefährlichsten Sekten Deutschlands.“
- „Die sterben nie aus. Dumm geboren und nichts dazugelernt!“
- „Veganismus ist eine Ersatzreligion. Extremisten, die den Rest der Welt zwangsbekehren wollen!“
So und ähnlich schallt es mir häufig aus der landwirtschaftlichen Ecke entgegen, wenn es um Veganismus geht. Woher kommt diese Verurteilung einer Gruppe von Menschen, die sich ohne tierische Erzeugnisse ernähren?
Nun, es ist gewiss auch eine Antwort, die ihren Nährboden in der Aggression der oben beschriebenen Gruppe von Menschen hat. Wie man in den Wald hineinruft…
Es trifft nicht nur Veganer
Aber diese Pauschalverurteilung aus dem Mund einiger Landwirte bezieht sich mitnichten nur auf Veganer. Ihnen reicht bereits der Verdacht, dass ich beispielsweise contra Fleisch sprechen könnte – was ich nicht tue. Vielmehr betone ich in meinem „Weideblog“, auf die Herkunft des Fleisches zu achten. Trotzdem ertönen Stimmen wie diese:
- „Menschen essen schon immer Fleisch! Das ist ja total weltfremd, dieses Mimimi-Tiereschützen geht gar nicht!“
- „Sch... Diskussion, denen geht’s doch allen zu gut!“
Diese und auch die oben genannte Front haben etwas gemeinsam: Beide sind verhärtet, beide sind verbohrt. Vielfach wird aber auch mein Blog selbst angegriffen:
- „Was bildest Du Dir eigentlich ein, was Du erreichen willst? Menschen an der Theke zu motivieren, nach der Fleischherkunft zu fragen – klar, dafür habe ich dann auch noch Zeit! Wo kommen wir da hin!? Lass den Sch….“
- „Diese sch… Tierschützer, denen haben sie doch ins Hirn gesch…!“
Zwischen den Fronten
Ich stehe zwischen den Fronten. Und seit einiger Zeit muss ich digital immer häufiger tun, was ich in einer Diskussion nie tun wollte: Blockieren. Einige User sind derart menschenverachtend in ihrer Kommunikation, dass ich sie zu meinem Schutz, aber auch zum Schutz meiner Community-User blockieren muss.
Beide Seiten richten großen Schaden an. Ihre Sprache, die wir in den sozialen Medien beobachten, ist einseitig und „macht dicht“. Sie dient einem Schlagabtausch mit Fronten, die am Ende nur noch verhärteter sind. Wenn diese Sprachfronten nicht aufgeweicht werden, wenn nicht zum sinnstiftenden Austausch eingeladen wird, dann ist es schlecht bestellt um das, was Menschen allgemeinhin von der Landwirtschaft an Bildern im Kopf haben.
Alle Beteiligten müssen sich an die gängigen Regeln halten, die man schon in der Grundschule lernt: zuhören, den anderen ausreden lassen, auf seine Argumente eingehen und den anderen als Person gelten lassen. Sprache wurde oft genug missbraucht und verheizt – analog wie digital. Es wird Zeit, sie dafür einzusetzen, wozu sie da ist: Beziehungen aufzubauen.
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