Kontrovers: Agrarpolitik

Anthroposophie: BML-Fördermittel für Hokuspokus?

Wie verhält sich das Bundeslandwirtschaftsministerium, wenn es um die Landwirtschaft geht, die der Weltanschauung der Anthroposophie verpflichtet ist?

Bei der Anthroposophie handelt es sich um eine Weltanschauung, die vor gut hundert Jahren entstanden ist und auf Rudolf Steiner zurückgeht. Die esoterische Lehre hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand und versteht sich auch nicht als Wissenschaft, ­sondern, wie gesagt, als Weltanschauung. Der Anthroposophie ist unter anderem der landwirtschaftliche Anbauverband „Demeter“ verpflichtet. Da stellt sich die Frage: Fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Anthroposophie und deren Methoden in der Landwirtschaft?

BMEL: „Keine Angaben“

Das Ministerium war nicht bereit, diese Frage vollständig zu beantworten. Ebenso machte man dort keine Angaben darüber, wie viel Geld für diese Art der Förderung ausgegeben wurde und wird.

Bestätigt jedoch hat das BMEL, dass es ­Fördergelder für die Umstellung von ­Landwirtschaftsbetrieben auf biologische Landwirtschaft gibt. Landwirte sind in den meisten Ländern frei darin, welche Beratung sie in Anspruch nehmen. Förderungen werden in Deutschland dabei von den Landwirtschaftskammern oder den zuständigen Ministerien reguliert.

Ritueller Dung aus dem Kuhhorn

Die zum Ministerium zugehörige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung beantwortete ebenfalls keine Fragen zur Förderung der Anthroposophie. Jedoch zeigte sich, dass die Bundesanstalt selbst Lehrgänge finanziert, welche deutlich im anthroposophischen Spektrum liegen.

Beispielsweise gab es am 23. April 2022 ein Seminar zur „Herstellung und Anwendung von Pflanzenstärkungsmitteln zur Bodenbelebung im ökologischen Landbau“. Dort haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch das berühmte „Kackhörnchen“ kennengelernt, nach Demeter das sogenannte Hornmistpräparat. Um dieses Mittel zu gewinnen, wird Kuhdung in ein Kuhhorn gestopft und über den Winter im Acker vergraben. Dabei soll es „kosmische Kräfte“ aus dem Weltall aufnehmen. Der Dung wird im Frühling rituell mit Wasser zehntausendfach verdünnt. Anschließend muss diese Substanz durch jeden Demeter-Landwirt ausgebracht werden, so sieht es die Richtlinie des Verbandes vor. Durchgeführt wurden solche Kurse unter anderem durch anthroposophische Vereine wie den Forschungsring oder Demeter.

Nachgewiesene Wirksamkeit?

Nicht nur für solche Kurse floss Geld aus dem Bundeshaushalt, sondern auch für sogenannte Forschungsaufträge. Laut einer Sprecherin des BMEL sei „nachgewiesene Wirksamkeit” bei diesen Arbeiten von Gewicht. Jedoch wurden auch okkulte ­Vorstellungen in diesen „Forschungen“ durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft gefördert, so etwa die Erprobung von anthroposophischen Mitteln bei Zierpflanzen. Laut Programm würden Projektvorschläge bei der Einreichung auch auf die wissenschaftliche „Exzellenz“ geprüft. Bei solchen nicht wirksamen anthroposophischen Mitteln sind Zweifel daran gerechtfertigt.

Esoteriker bestimmen mit

Verwunderlich ist dies kaum, denn auch Esoteriker bestimmen die Forschungsinhalte direkt mit. So werden bei der Auswahl der Themen „Fachleute aus Praxis, Forschung, Beratung, Verbänden und Politik eingebunden“. Mit anderen Worten: Die anthroposophischen Anbauverbände sind daran beteiligt und haben Einfluss auf Forschungen und Weiterbildungsveranstaltungen.

Die Veranstaltungen richten sich dabei ohnehin schon nach den Interessen von Landwirten aus, ob wissenschaftlich gedeckt oder nicht. Gerechtfertigt wird dies nach der Sprecherin mit der angeblich hohen „Praxis­relevanz“.

Kommentar

In kaum einem anderen Umfeld ist eine so freie und unwissenschaftliche Verteilung von Steuermitteln möglich. Dadurch stärkt man eine faktenferne Landwirtschaft. Auch ist fraglich, warum Kurse ohne wissenschaftliche Basis finanziert werden. Spätestens beim Thema Tierleid sollten diese okkulten Mittel keine Förderung erfahren, selbst wenn es ein großes Interesse in der Landwirtschaft gibt. Nur gab es auch Kurse zur Homöopathie bei „Klauenerkrankungen und Lahmheit“, also die Behandlung von Tieren mit Mitteln ohne spezifische Wirkung.

Eine Abkehr dieser Praxis scheint unter der Führung des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir kaum realistisch. Als ­eine seiner ersten Amtshandlungen hat er Ophelia Nick, Milliardenerbin des Technologiekonzerns Voith und Demeter-Landwirtin, als Parlamentarische Staatssekretärin berufen.

Unser Gastautor Steven Oberstein ist freier Journalist und befasst sich mit den Themen Anthroposophie, Gesundheit und Medien.

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