Rasanter Rennfahrer

Nicht auf vier Rädern, sondern auf einem einzigen Rad ist Christoph Hartmann am liebsten unterwegs. Der Landwirtssohn zählt zu den besten Rennfahrern der Welt – und das in der außergewöhnlichen Sportart Einradfahren.

Christoph Hartmann aus Beverungen-Tietelsen studiert in Soest Maschinenbau. „Vor zwölf Jahren habe ich im Wochenblatt ein Foto von einem Einrad gesehen“, erzählt der 23-Jährige. Alles, was nicht der Norm entspricht, hat Christoph Hartmann schon immer fasziniert. Noch im selben Jahr wünschte er sich zu Weihnachten ein Einrad – und bekam auch prompt eins geschenkt.

Allerdings keines aus dem Geschäft, sondern ein selbst gebautes Modell von seinem Vater, das statt mit einem bananenförmigen Sattel – wie bei Einrädern üblich – mit einem herkömmlichen Fahrradsattel ausgestattet war. Denn Christophs Eltern waren sich damals beide sicher: Nach ein paar Probefahrten würde ihr Sohn das Einrad sicher in die Ecke legen.

Erster Marathon: zweiter Platz


Auch Christoph selbst ahnte damals noch nicht, dass er einmal zu den besten Einradfahrern der Welt zählen würde. „Damals wollte ich einfach nur auf einem Einrad fahren können. Es war nie mein Ziel, weiterzumachen“, erinnert er sich. Seine ersten Fahrversuche fanden im Haus statt. Beim Aufsteigen hielt er sich am Türrahmen fest und schaffte es von dort aus immer ein paar Pedaldrehungen weiter. Als er sich halbwegs sicher fühlte, wagte er sich nach draußen auf die Hof­einfahrt. Nach einer Weile traute er sich auch längere Touren von 5 bis 6 km zu. „Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es auch Wettkämpfe im Einradfahren geben müsste,“ erzählt er.

Über das Internet erfuhr Christoph Hartmann vom Einrad-Marathon in Düsseldorf, der 2007 im Rahmen des herkömmlichen Läufermarathons stattfand. Da keine Qualifikation für den Wettbewerb notwendig war, meldete er sich direkt an. „Mir ging es damals nur darum, die Strecke überhaupt zu schaffen“, erinnert sich der Student. Am Ende wurde er in seiner Wertungsklasse Zweiter und war damit plötzlich deutscher Vizemeister. 2 Std. 12 Min. 7 Sek. (2:12:7) benötigte er für die gut 42 km.

Sein Erfolg spornte ihn an: Im nächsten Jahr wollte Christoph Hartmann deutscher Meister werden. 2008 trat er mit einem 28-Zoll-Einrad an und erreichte sein Ziel. Auch in den beiden folgenden Jahren holte er sich den Titel des deutschen Meisters. 2009 stellte er dabei mit einer Zeit von 1:43:16 den Weltrekord in der auf 28 Zoll begrenzten Klasse auf.

Über 30 km/h schnell


Auch wenn derartige Höchstleistungen es vermuten lassen würden: Einen konkreten Trainingsplan verfolgt Christoph Hartmann bis heute nicht. In den Wintermonaten geht er ab und zu in den Kraftraum. „Wenn ich meine Seitenmuskulatur trainiere, merke ich, dass ich Seitenwind besser standhalten kann“, erzählt der Sportler. Ansonsten schwingt Christoph Hartmann sich lediglich so oft es geht auf sein Einrad und fährt los.

Denn obwohl es deutschlandweit zahlreiche Einradvereine gibt, hat Christoph Hartmann in seiner Region bislang keine Gleichgesinnten gefunden, mit denen er trainieren könnte. Mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Michael unternimmt er jedoch regelmäßig Touren: Christoph auf dem Einrad und Michael auf dem Rennrad. Und Michael muss dabei keinesfalls absichtlich langsam fahren, um seinen Bruder nicht abzuhängen. Denn auch Christoph Hartmann schafft mit seinem Einrad einen Schnitt von gut 30 km/h.

Helm sowie Handgelenk-, Knie- und Ellenbogenschoner sind da Pflicht. Die gemeinsamen Touren mit seinem Bruder halfen Christoph Hartmann auch bei der Vorbereitung auf seinen bislang größten Wettbewerb: die Einradweltmeisterschaften, die Ende Juli im italienischen Brixen stattfanden.

Da Christoph Hartmann zuvor bei offiziellen Rennen in Deutschland die notwendigen Qualifikationszeiten erreicht hatte, wurde er vom Einradverband Deutschland als Teilnehmer gemeldet. Drei seiner insgesamt fünf Einräder packte Christoph Hartmann im Juli in seinen Wagen und machte sich auf den Weg Richtung Süden. Zwei Unternehmen aus der Umgebung hatte er zuvor als Sponsoren gewinnen können, sodass ein Teil der Gesamtkosten gedeckt war.

Zweifacher Weltmeister


Im 10-km-Rennen und im 100-km-Rennen holte Christoph Hartmann sich den Weltmeistertitel: Auf 10 km war er dabei mit einer Zeit von 0:28:48 der Schnellste seiner Wertungsklasse, auf der Distanz von 100 km mit einer Zeit von 3:39:30 sogar der schnellste Fahrer insgesamt. Im Marathon, seiner Paradedisziplin, belegte Christoph Hartmann den zweiten Platz.

Wieder zu Hause in Tietelsen angekommen, bereiteten rund 150 Freunde und Bekannte aus Tietelsen und umliegenden Ortschaften dem zweifachen Weltmeister und einfachen Vizeweltmeister einen gebührenden Empfang.

Das nächste Mal wird die Weltmeisterschaft in zwei Jahren im kanadischen Montreal stattfinden. Christoph Hartmann weiß noch nicht, ob der Termin in seinen Studienablauf passt. Falls es sich machen ließe, wäre er auf jeden Fall gerne wieder dabei. Und vielleicht klappt es dann ja auch mit einer Goldmedaille im Einrad-Marathon. Christina Bartscher

Was dem einen sein Einrad, ist dem anderen seine Seifenkiste: Lesen Sie im ausführlichen Bericht in Wochenblatt-Folge 34/2012 auf den Seiten 94 und 95, welche Erfolge Landwirtssohn Martin Tenambergen aus Mettingen bereits bei Seifenkistenrennen erzielt hat.