Kaffeekultur in Westfalens Bauernstuben

Die einen lieben ihn, die anderen schütteln sich vor ihm: Kaffee. Im Durchschnitt trinkt jeder Deutsche pro Jahr 150 Liter des schwarzen Aufgussgetränks. Aber das Heißgetränk schmeckt nicht allen. Zwei Familien gewähren Einblick in ihre Kaffeetrinkgewohnheiten.

Für Therese Kurte war eine Tasse Kaffee vor 50 Jahren noch ein Stück Luxus. Die 81-Jährige lebt mit der Familie ihres Sohnes in Lichtenau-Grundsteinheim im Kreis Paderborn auf einem landwirtschaftlichen Nebenwerberbsbetrieb. Als sie vor 54 Jahren einheiratete, war der Kaffee eine schwarze Kostbarkeit, die es nur sonntags gab. „Meine erste Tasse Kaffee habe ich mit 20 Jahren getrunken“, erinnert sich die Seniorin. Der Kaffee wurde regelrecht zelebriert, in der guten Stube und nur mit dem guten dünnen Porzellangedeck. Er war etwas Besonderes.

Bohnenkaffee hält Einzug im Alltag

Alltags gab es auf dem Hof der Familie Kurte den unechten Kaffee, den sogenannten Malzkaffee aus gerösteter Gerste und einem Stück Zichorie. Diese Mischung wurde in einer Handmühle gemahlen und mit kochendem Wasser aufgegossen. Die Zichorienwurzel gab dem Kaffeeersatz die leicht herbe Note. Dieser preisgünstige Alltagskaffee wurde morgens aufgegossen. Die große Kanne stand auf dem Kohleherd. Davon trank man zwischendurch. Nur nach der Geburt ihres ersten Kindes verordnete der Arzt Therese Kurte morgens eine Tasse echten Bohnenkaffee, damit ihr Kreislauf in Schwung kam.

Mit der Zeit verabschiedete sich der Malzkaffee immer mehr aus dem Alltag der Familie und wich dem Bohnenkaffee. Die Tasse Kaffee gehört heute mit zum Tagesablauf. Wenn die Seniorin morgens in die Küche kommt, ist der Kaffee schon gekocht, von Hand aufgebrüht. „Wenn ich über die Deele komme und den Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee rieche, erhöht das noch einmal die Freude auf den beginnenden Tag“, beschreibt sie die Sinnlichkeit von Kaffeeduft. Nachmittags treffen sich alle wieder am Kaffeetisch: Sohn Alois mit Ehefrau Gisela und Enkelsohn Stefan. Es ist ein gemütliches Ritual für die Seniorin.

Kaffee? – Nein danke!

Der 21-jährige Stefan Kurte teilt die Leidenschaft seiner Oma für Kaffee nicht. „Er schmeckt mir einfach nicht und ich brauche ihn nicht als Muntermacher“, nennt er den eigentlichen Grund.

Auch der 26-jährige Jens Pante aus Fröndenberg-Frömern im Kreis Unna mag Kaffee nicht. Er trinkt ihn nur in Ausnahmesituationen, um wach zu bleiben. Cola-haltige Getränke zeigen bei ihm nicht die gewünschte Wirkung. So nimmt er sich für eine „Nachtschicht“ auf dem Schlepper gern eine kleine Thermoskanne Kaffee mit. Auch nach einer längeren Feier schätzt er die Wirkung des braunen Muntermachers.

Seelenbalsam versus Muntermacher

Seine Mutter Susanne Pante dagegen trinkt Kaffee mit Genuss über den Tag verteilt. Sie trinkt die erste Tasse gegen 10 Uhr nach dem Melken. Zum Start in den Tag braucht sie keinen Kaffee. Eine Ausnahme macht sie im Winter. Dann trinkt sie schon mal vor dem Melken eine Tasse. „Nicht zum Wachwerden, sondern eher als Balsam für die Seele in der morgendlichen Dunkelheit.“

Zubereitet wird der Kaffee bei Familie Pante in einer speziellen Kaffeemaschine, die nach dem Prinzip „handgebrüht“ arbeitet. „So schmeckt mir der Kaffee am besten“, lautet das Urteil der Landfrau. Viele schwärmen von den Kaffeemaschinen mit „Pads“, kleine abgepackte Kapseln gefüllt mit Pulver. Aber die sind für Susanne Pante keine Alternative, da sie ihr zu sehr nach löslichem Kaffee schmecken. Sabine Kerstin