Jüngere Kinder mehr wert?

Für Kinder, die vor 1992 zur Welt kamen, bekommen Mütter in der Rente weniger Erziehungszeit anerkannt als für später geborene Kinder. Das wollen Frauenverbände ändern. Denn es geht um viel Geld.

Marlies S. ist Mutter von vier Kindern und hat heute ihren Rentenbescheid bekommen. Sie wusste, dass die Zeit der Kindererziehung in die Rente einfließt. Doch dass dabei zwischen ihren Kindern unterschieden wird, damit hatte sie nicht gerechnet.

Mehr Geld für jüngere Kinder

Ihre ersten beiden Kinder hat Marlies S. 1988 und 1990 bekommen. Zwei Jahre später, 1992, folgte ihr drittes und 1993 ihr viertes Kind. Nun besagt ihr Rentenbescheid: Für ihre ersten beiden Kinder erhält Marlies S. eine Rente von zusammen 55 € im Monat. Für ihre anderen beiden Kinder dagegen 165 €. Wie kann es sein, dass die Erziehung ihrer jüngeren Kinder in der Rente dreimal so viel wert ist wie die Erziehung ihrer älteren Kinder? Die Antwort liegt in deren Geburtsjahr begründet. Mit der 1992 unter der Regierung von Union und FDP verabschiedeten Rentenreform wurden die angerechneten Kindererziehungszeiten von einem auf drei Jahre verlängert. Das bedeutet: Alle ab diesem Zeitpunkt geborenen Kinder zählen in der Rente ihrer Mutter dreifach. Wer damals schon Kinder hatte, hat nun das Nachsehen.

Unterschriftenaktion gestartet

Bereits seit Jahren fordert die Frauen-Union von ihrer Partei, älteren Müttern ebenfalls drei Jahre Erziehungszeit pro Kind anzurechnen. Bisher ohne Erfolg. Unterstützung erhält ihre Vorsitzende Maria Böhmer nun vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) und der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd). Die beiden Verbände wollen ihre Forderung mit einer Unterschriftenaktion, die noch bis zum 15. Juni läuft, durchsetzen. „Wer Kinder erzieht, leistet einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Das gilt für alle Generationen und muss deshalb in gleicher Weise anerkannt werden“, so die Vorsitzenden der Frauenverbände. Dabei berufen sie sich auf den geltenden Koalitionsvertrag. Darin steht, FDP, CDU und CSU wollen die Erziehungsleistungen in der Alterssicherung besser berücksichtigen.

Laut den Frauenverbänden trifft die 1992er-Regel vor allem die Frauen, die in den 70er- und 80er- Jahren kaum Möglichkeiten hatten, Familienaufgaben und Beruf zu vereinbaren. Es fehlten Kinderbetreuungsplätze. Auch Elterngeld und Erziehungszeiten gab es nicht. Besonders hart trifft es Frauen ab dem Geburtsjahr 1947, für die das heraufgesetzte Renteneintrittsalter gilt. Für Frauen ab Jahrgang 1962 kommt die Senkung der Hinterbliebenenrente hinzu.

Warum gerade jetzt?

Dass Frauenverbände und Frauen-Union gerade jetzt gegen diese „Pech gehabt“-Regel mobil machen, hängt mit dem Betreuungsgeld zusammen. Der von der CSU geforderte Zuschuss für Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, ist in der Union umstritten. Auch die CDU-Frauen halten davon wenig. Auf dem Parteitag im vergangenen Jahr hatten sie ihre Zustimmung zum Betreuungsgeld daher mit einer Änderung der Altersvorsorge verknüpft. Daraufhin schlug Unionsfraktionschef Volker Kauder tatsächlich vor, neben dem Betreuungsgeld auch die Rentenansprüche älterer Mütter anzuheben.

Rund 7 Milliarden € im Jahr

Doch vor allem die FDP hält den Vorschlag für zu teuer. Immerhin würde die Anhebung rund 6 bis 7 Mrd. € jährlich kosten, schätzen Experten. Auch die CSU will Betreuungsgeld und Mütter-Rente nicht verknüpfen. Sie fürchtet vermutlich, es könnte letztlich auf eine Entweder-Oder-Entscheidung hinauslaufen.
Ein Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld will Familienministerin Kristina Schröder noch vor der Sommerpause, also Ende Juni, dem Bundestag vorlegen. Gleichzeitig will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen auch einen Gesetzentwurf zur anstehenden Rentenreform vorlegen. Der Zeitpunkt für die Unterschriftenaktion ist daher gut gewählt. Voraussichtlich am 20. Juni wollen die Frauenverbände die Liste dem Kabinett übergeben. Bis dahin hoffen sie auf mindestens 100 000 Unterschriften.

Mehrheit der Deutschen dafür

Geht es nach einer aktuellen Umfrage von Infratest Dimap, haben die Frauen die Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite. Trotz der hohen Kosten sind demnach 80% der Deutschen für eine entsprechende Rentenerhöhung für Mütter. Sollte es zu einer Änderung kommen, wird diese allerdings nur zukünftige und keine bestehenden Renten betreffen. Elisabeth Budde

Mehr zur Unterschriftenaktion der kfd finden Sie hier .