Das Außenthermometer meldet knapp 15 °C. Auf der Wasseroberfläche zeichnet sich ein leichter Nieselregen ab. Ein schöner Sommertag sieht anders aus. Es ist Dienstagvormittag im Freibad Gaßbachtal Stromberg, Kreis Warendorf. Noch sind die Tore geschlossen. Großreinemachen steht an. Rund 15 Männer und Frauen sind auf der Liegewiese und dem neuen Kinderspielplatz zu Gange: Sie mähen Rasen, harken den Sand, rupfen Unkraut. „Das geht jede Woche so. Auf unsere Truppe ist Verlass“, meint Wolfgang Röttig. Er ist Vorstandsmitglied des Fördervereins Gaßbachtal – und damit Mitbetreiber des Freibads.
Freibad aus den 70ern
2005 entschloss sich die Stadt Oelde, das Stromberger Freibad zu schließen. Seit Längerem kämpfte es schon mit tiefroten Zahlen – und der Konkurrenz zum benachbarten Freibad in Oelde. Letzteres wurde anlässlich der Landesgartenschau 2001 aufwendig erneuert. Das Stromberger Freibad dagegen war mit seinem 70er-Jahre-Charme und dem entsprechenden Renovierungsbedarf ein Sorgenkind. Doch das Bad schließen? Damit würde ein wichtiges Freizeitangebot wegfallen. Das wollten die Stromberger nicht hinnehmen. Sie gründeten einen Förderverein, der zunächst aus 158 Mitgliedern bestand. Für eine symbolische Pacht von 1 € übernahm der Verein den Betrieb des Freibads.
„In der Stadtverwaltung hat wohl niemand damit gerechnet, dass das länger als eine Saison funktioniert“, glaubt Wolfgang Röttig. Das ist nun zwölf Jahre her und das Freibad hält sich noch immer. Zu verdanken ist das den aktiven
Fördermitgliedern. „Man braucht schon 40 bis 50 Ehrenamtliche, auf die man zählen kann. Vertreten sind bei uns alle möglichen Berufsgruppen, viele davon Rentner“, erklärt der Schriftführer. Jeder bringt sein Talent ein – oder hat sich im Laufe der Zeit das nötige Wissen etwa zu Pumpen und Filteranlagen angeeignet. So ging es in den ersten Jahren auch darum, sich günstige Ersatzteile von anderen Schwimmbädern zu sichern, die schließen mussten. Sie „auszuschlachten“, wie es Wolfgang Röttig bezeichnet. Denn viele umliegende Bäder hatten nicht so viel Glück wie das in Stromberg. „Ich bin mir sicher: So etwas funktioniert nur auf dem Dorf, wo man sich kennt und jeden ansprechen kann.“ Stromberg hat etwa 4500 Einwohner. Davon sind knapp 850 inzwischen Mitglied im Förderverein und zahlen 12 € Jahresbeitrag.
Strategie: Kosten senken
Wer nun aber an eine wundersame Erfolgsgeschichte denkt, in der das Freibad jeden Tag proppenvoll ist und Gewinne einfährt, liegt daneben. „So gut wie kein Schwimmbad kommt ohne Fördermittel aus“, weiß Wolfgang Röttig. Auch das in Stromberg nicht. In den ersten Jahren zahlte die Stadt jährlich einen Verlustausgleich von 20 000 €. Die Summe ist mittlerweile auf 25 000 € gestiegen und wird als Fördermittel ausgezahlt. Doch die Kosten sind damit noch lange nicht gedeckt. Die Einnahmen durch die günstigen Eintrittspreise reichen bei Weitem nicht aus. Obwohl das Freibad mit rund 45 000 Besuchern im Jahr einen guten Schnitt erzielt.
Die Kosten möglichst gering zu halten – das ist die Überlebensstrategie. „Wir beschäftigen gerade einmal zwei Vollzeitkräfte, die die Badeaufsicht übernehmen. Hinzu kommen vier bis fünf Aushilfen. Trotzdem ist das Personal der größte Kostenpunkt“, erzählt Wolfgang Röttig. Das Bistro betreibt der örtliche Bäcker. Für den Eintritt schaffte sich der Verein einen Automaten an, dessen Wartung zwei IT-Studenten aus dem Dorf übernehmen. Durch Eigenleistung wie das Rasenmähen spart der Verein obendrein.
Vor allem Zusatzveranstaltungen auf der Festwiese – Flohmarkt, Oldtimertreffen oder eine Pferdeshow – bringen Geld in die Kasse. Auf Neuanschaffungen wird jahrelang gespart. In diesen Tagen (15. Juli) steht beispielsweise die Eröffnung des „Kindertraumlandes“ an. Neben dem großen Kinder- und Babybecken und einem Piratenschiff können sich die kleinen Besucher auf Spielgeräte, eine Matschanlage und einen Bobbycar-Parcours freuen. Die Ausgaben dafür halten sich gerade noch im fünfstelligen Bereich.
Mollig warm dank Abwärme
Doch die Investition lohnt sich, ist sich der Verein sicher. Denn Familien mit kleinen Kindern gehören zur Hauptklientel des Freibads, ebenso wie Senioren. Beide werden vor allem von der konstant warmen Wassertemperatur angelockt. Heute beispielsweise beträgt sie 29 °C. Dafür nutzt das Bad seit 2007 die Abwärme einer benachbarten Biogasanlage. Der Pflaumenhof von Frederik Erdmann liegt günstig auf einem Hang in Sichtweite. Dank dieser Kooperation gehört das Stromberger Freibad zu den wenigen Freibädern, die von etwa Mitte März bis Ende Oktober geöffnet haben. „So können wir auch die Oster- und Herbstferien mitnehmen“, freut sich Wolfgang Röttig. Und schlechte – sprich kühle – Monate werden ausgeglichen. „Ist der Juni verregnet, haben wir dafür vielleicht einen sonnigen Herbst.“
Und was bringt so ein Tag wie heute? „Da kommen wir vielleicht auf rund 100 Besucher“, schätzt Wolfgang Röttig. Gar nicht mal schlecht für einen vernieselten Dienstag. Die erste Besucherin ist auch schon im 25 m langen Mehrzweckbecken unterwegs. Aber nein – bei genauem Hinsehen entdeckt man den Putzschwamm in ihrer Hand, mit dem sie den Beckenrand schrubbt. Eine weitere fleißige Helferin, die das Freibad über Wasser hält. EM