Sonntag morgen. Ein Wetter, wie es schöner nicht geht – ich fahre mit dem Rad zum Feld. Meine Gedanken kreisen um den Fortbestand unseres Hofes. Wie soll man sich entscheiden? Die Landwirtschaft weiterführen? Ja? Nein?
Zurzeit finden ja wieder die ersten kleinen Feste in der Bauerschaft statt. Nach einigem Suchen trifft man auch wieder Bauern zum Meinungsaustausch.
Ein Sauenhalter sagt: „Wenn das und das jetzt auch noch kommt, drehe ich den Schlüssel um.“
Ein Rindviehhalter sagt: „Wenn ich die Siloanlage komplett erneuern muss für eine Viertelmillion und dann die ganze Arbeit – dann drehe ich den Schlüssel um.“
Ein Schweinemäster sagt: „Einige wollen noch für den chinesischen Markt produzieren! Die neueste Schlagzeile: ,Chinesische Kontrolleure inspizieren europäische Schlachthöfe‘ – ich war eigentlich der Meinung, wir hätten selber genug davon!?!“
Mit diesen deprimierenden Gedanken im Kopf merke ich gerade wieder: Wie schön ist es hier im Feld! Es ist Sonntag morgen, nach dem Füttern. Die meisten Verbraucher sind noch nicht unterwegs – vor allem nicht die, die uns die Landwirtschaft erklären wollen.
Jetzt soll alles vorbei sein?
Da packt einen dann schon auch der Zorn. Seit mehreren Hundert Jahren arbeiten viele Bauerngenerationen auf ihren Feldern und im Stall – und jetzt, innerhalb fast einer Generation, soll das vorbei sein? Die Gesellschaft will das alles nicht mehr? Ich mag es kaum glauben.
Aldi, Lidl, Edeka und Konsorten sind nicht „die Gesellschaft“. Das sind Geschäftsleute, die an der Gesellschaft Geld verdienen wollen – und nichts anderes.
Ich behaupte: Wie irgendein Schwein, eine Kuh oder Huhn lebt, ist den Konzernen so egal wie irgendetwas. Wie kann Aldi behaupten, sie wollen ab einem bestimmten Termin nur noch bestimmtes Fleisch verkaufen – wenn es die Ställe dafür noch gar nicht gibt?!? Ich frage mich auch: Wer soll eigentlich irgendwann diese Ställe überhaupt bauen, wenn jetzt schon ein Bauer nach dem anderen aufgibt?
Der Lidl-Konzern wirbt bei seiner Biomarke mit dem Spruch: „Gutes muss nicht teuer sein!“ – Doch, das muss es eben doch!
Beim Edeka-Markt steht der schöne Spruch über der Fleischtheke: „Wir kennen unsere Bauern!“ Aber in der Fleischtheke lese ich: „Frisches Rindfleisch aus Argentinien.“
Lippenbekenntnisse und Attacken
In den anderen Regalen liegen Äpfel aus Neuseeland, Frankreich, Südafrika, aber nicht einer ist aus Deutschland – so viel zum Thema „regional“, „nachhaltig“ und so weiter. Das sind Lippenbekenntnisse. Denn tatsächlich wird verkauft, womit das meiste Geld verdient wird.
Schlimm ist natürlich, dass es Menschen gibt, die verbal die Landwirtschaft stets und ständig angreifen. Die jungen Bauern haben schon damit zu kämpfen.
Und dann sollen wir noch so viel Geld in die Hand nehmen, für irgendwelche Investitionen? Dann sollen wir uns verschulden bis über die Ohren? Morgens, wenn die meisten der Kritiker noch im Bett liegen, soll ich Schweine mit Beschäftigungsmaterial bespaßen, ohne auch nur 1 Cent Mehrverdienst zu sehen? Ich soll Kühe melken, jeden Morgen und Abend?
Das Kalb ist krank. Ich weiß, wie ich ihm richtig gut helfen könnte – aber, oh nein: Reserveantibiotika gibt es nicht für Kälber. Oh Sch…
Rat an junge Bauern gesucht
Ich radle weiter. Vieles geht mir durch den Sinn. Auf einmal fällt mir wieder auf: Mein Gott, ist das schön hier! Wie kann man jungen Bauern mit gutem Gewissen dazu raten, den Hof weiterzuführen? Und kann man ihnen noch erklären, warum es sich lohnt, für dieses alles zu kämpfen? Gibt es doch noch eine Alternative, statt die Schlüssel zum Hof ein für alle Mal umzudrehen?
Ich radle weiter. Darüber muss ich noch einmal nachdenken.
Die Wochenblatt-Redaktion kennt den Namen und die Anschrift der Verfasserin, die darum gebeten hat, ungenannt zu bleiben. Nur so viel: Sie lebt als Bäuerin in Westfalen und ist 60 Jahre alt.