Dingden: Das Dorf und die Landjuden

Das Humberghaus trägt den Namen der letzten Eigentümerfamilie, die zwei Generationen lang, seit 1880, das Haus mit Leben gefüllt hat. Die Humbergs waren westfälische Landjuden mit Verwandtschaft im gesamten Münsterland. Sie besaßen 10 ha Land, etwas Vieh, lebten aber vor allem von Textilhandel und einer Dorfmetzgerei – bis das alles nicht mehr sein durfte: Das NS-Regime und seine kleinen und großen Helfer in Westfalen drangsalierten die Humbergs so lange, bis am düsteren Ende ein Teil der Familie geflohen, der andere Teil ermordet worden ist.

Rundgang durch ein Haus voller Geschichte

Von außen präsentiert sich das Humberghaus als ein Ackerbürgerhaus, wie es typisch ist für das westliche Münsterland: tief gelegte Fenster, Walmdach, an der Vorderseite Blumen und Blendläden, auf der Rückseite der Hof mit angebautem „Schiethüsken“ und einem halbhohen Kellereingang.

Wer das Haus durch den Haupteingang von der Straße betritt, blickt im Raum rechts des Eingangsflures auf die Fleischtheke mit großer Waage, dahinter auf einen rustikalen Flaschenzug, an dem einmal das Schlachtvieh hochgezogen wurde. Humberg war Viehhändler und Schlachter – zu Zeiten, als es noch keine Kühlschränke gab, schlachtete und wurstete er für die Dorfbewohner nach Bedarf.

Jeder Raum erzählt

Links des Flures betritt man ein stilisiertes Textilgeschäft mit Spitzen, Leinenballen und einer Kleiderpuppe in der Ecke. „Jeder Raum erzählt die Geschichte eines Familienmitglieds“, erläutert der Münsteraner Museumsgestalter Ulrich Hermanns eine der Grundideen, die zurückhaltend und deswegen so überzeugend umgesetzt sind. Stehschränkchen laden in den Räumen dazu ein, aufgeklappt zu werden. Dann entpuppen sie sich als kleine Schaukästen, die Kurzbiografien, Fotos der Familienmitglieder und persönliche „Zutaten“ wie Postkarten oder Leinentücher bieten.

Beim Rundgang durch das Erdgeschoss wird dem Besucher das Handels- und Familienleben der Humbergs und ihre vielfältige Verwurzelung im Münsterland deutlich. Eine Fotografie zur Goldenen Hochzeit der Humbergs 1932 spiegelt den Zusammenhalt der vielköpfigen Familie und den Stolz über das Erreichte.

Verfolgung, Enteignung, Deportation

Nur wenige Monate nach diesem Familienfest 1932 kam alles anders als erhofft. Das wird dem Besucher im Obergeschoss vermittelt. Hier, unter den Dachschrägen, tun sich Abgründe auf: Die Geschichte der Nazis im Dorf wird erzählt, die Verfolgung der Landjuden dokumentiert, schließlich die Enteignung, Deportation und Ermordung eines Teils der Humberg-Familie in den KZs und Vernichtungslagern Theresienstadt, Riga und Auschwitz.

Originaldokumente wie etwa Deportationslisten sind ausgelegt. Augenzeugen und Experten vermitteln per Bildschirm und Kopfhörer das düsterste Kapitel der Judenschaft im Münsterland und in Westfalen.


Tipps für Besucher

Das Humberghaus Dingden, Hohe Straße 1, in 46499 Hamminkeln-Dingden, ist sonntags und mittwochs von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Eine Begleitdokumentation mit 138 Seiten und zahlreichen Fotografien ist im Haus für 12 € erhältlich. Weitere Informationen gibt es unter Tel. (0 28 52) 96 35 40, www.humberghaus.de