Wochenblatt-Leserin Angelika N. fragt: Bei uns im Wald (Kalamitätsfläche) soll eine Windkraftanlage (WKA) errichtet werden. Wir wohnen in der Nähe des Bauvorhabens und sind unter anderem aus Tier- und Umweltschutzgründen gegen den Bau. Die Bewilligung einer öffentlich-rechtlichen Abstandsflächenbaulast durch den Eigentümer des betroffenen Grundstückes wird nicht erteilt. Lässt sich der Bau der WKA verhindern?
Thomas Hemmelgarn, Rechtsanwalt, WLV, antwortet: Für Windenergieanlagen ist nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ein Genehmigungsverfahren durchzuführen. Wenn 20 oder mehr Windenergieanlagen errichtet werden sollen oder eine Umweltverträglichkeitsprüfung angezeigt ist, ist ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.
Gegen Genehmigung klagen
Gegen eine erteilte Genehmigung können sich Anwohner im Rahmen einer gerichtlichen Klage nur auf einen etwaigen Verstoß gegen gesetzliche Regelungen, die sich speziell auf den Schutz einzelner Anwohner bezieht (sogenannte drittschützende Vorschriften), berufen. Dieses sind zum Beispiel die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen zum Schallschutz, Begrenzung des Schattenwurfs sowie das baurechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Auch eine etwaig erforderliche, aber unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung kann im Rahmen einer Klage gerügt werden.
Demgegenüber können beispielsweise naturschutz- und artenschutzrechtliche Belange im Rahmen gerichtlicher Klagen seitens der Anwohner nicht geltend gemacht werden, da sie keinen drittschützenden Charakter haben.
Zwischenzeitlich sind gesetzliche Regelungen in Kraft getreten bzw. geplant, welche die Errichtung von Windenergieanlagen erleichtern.
Das Klima- und Energieministerium hat am 28. Dezember 2022 einen Erlass zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien in NRW in Kraft gesetzt, mit dem unter anderem weitreichende Erleichterungen beim Ausbau der Windkraft im Wald verbunden sind. Danach können nunmehr Windenergieanlagen unter anderem auch auf geschädigten Waldflächen (Kalamitätsflächen) errichtet werden. Eine entsprechende Regelung soll auch in den derzeit in Änderung befindlichen Landesentwicklungsplan NRW (LEP NRW) überführt werden.
30 statt 50 % Abstand ab 1. Januar 2024
Auch hat das Landeskabinett NRW eine Änderung der Landesbauordnung, welche am 1. Januar 2024 in Kraft treten soll, beschlossen. Danach soll der bauordnungsrechtliche Abstand zu Grundstücksgrenzen bei Windenergieanlagen sich nicht mehr wie bisher nach 50 % ihrer größten Höhe, sondern nur nach 30 % richten.
Mit einer zum 1. Februar 2023 in Kraft getretenen Änderung des Baugesetzbuches ist darüber hinaus nunmehr klargestellt, dass eine optisch bedrängende Wirkung einem Windenergievorhaben in der Regel nicht entgegensteht, wenn der Abstand zwischen Anlage und Wohnbebauung mindestens der zweifachen Anlagenhöhe entspricht. Vor Inkrafttreten dieser Regelung war in gerichtlichen Entscheidungen ein größerer Abstand von mindestens dem 2,5-Fachen der Anlagenhöhe gefordert worden.
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(Folge 28-2023)