Wochenblatt-Leser Thomas L. in R. fragt: 800 m von unserem Hof entfernt wurde eine 150 m hohe Windkraftanlage (WKA) errichtet. Diese ist noch nicht in Betrieb. Auf einem Stall haben wir eine PV-Anlage (500 kWp). Müssen wir mit einer Beschattung rechnen und können wir dafür Schadenersatz fordern?
Torsten Wobser, Redaktion, nimmt Stellung: Ob und in welchem Umfang Ihre bestehende PV-Anlage vom Schattenwurf der geplanten Windkraftanlage (WKA) betroffen ist, hängt von vielen Faktoren ab.
Richtung entscheidend
Zunächst ist die Position der WKA in Bezug auf Ihre PV-Anlage wichtig. Befindet sich die WKA beispielsweise nordöstlich bis nordwestlich, kann verständlicherweise kein Schatten auf die PV-Anlage fallen, da der Schattenwurf quasi hinter der PV-Anlage liegt. Auch bei südlicher Position wird die PV-Anlage entsprechend dem Lauf der Sonne nur für einen kurzen Zeitraum Schatten abbekommen können. Je weiter entfernt die WKA steht, umso kürzer ist dieser Zeitraum (hohe Winkelgeschwindigkeit).
Entfernung
Die Ausdehnung des Schattenwurfes hängt darüber hinaus von der Entfernung der WKA und der Breite der Rotorblätter ab. In größerer Entfernung von der Anlage kann der Schattenwurf vernachlässigt werden, da das Rotorblatt von der Ferne aus gesehen nur einen kleinen Bereich der Sonne verdeckt.
Ein Beispiel für die Auswirkung der Entfernung: Bei 50° geografischer Breite steht die Sonne im Sommer bei etwa 64° über dem Horizont und im Winter bei etwa 17°. Bei einer Höhe der WKA von 150 m reicht der Schattenwurf bei einem Einstrahlungswinkel von 17° jedoch nur knapp 500 m weit. In den Morgen- und Abendstunden mit flacheren Winkeln ist die Strahlung zu dieser Jahreszeit jedoch so gering, dass keine nennenswerte Beeinträchtigung der PV-Anlage zu erwarten ist.
Kein Recht auf dauerhaft fehlende Bebauung
Ob bei einem Bauvorhaben trotz Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück dennoch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliegen kann, wenn hierdurch eine vorhandene Photovoltaikanlage verschattet wird, hat zuletzt das Oberverwaltungsgericht Münster im Jahr 2022 entschieden. Danach kann sich ein Grundstückseigentümer nicht darauf verlassen, dass eine zum Zeitpunkt der Errichtung der Photovoltaikanlage fehlende Bebauung des Nachbargrundstückes dauerhaft bestehen bleibt.
Im Übrigen sei ein Bauvorhaben, welches unter Beachtung der bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Regelungen durchgeführt wird, nicht zu beanstanden, auch wenn hierdurch Ertragseinbußen einer auf einem Nachbargrundstück bestehenden Photovoltaikanlage durch eine – teilweise – Verschattung entstehen.
Abschalten als Maßnahme
Unabhängig davon ist in dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen, ob die für ein benachbartes Wohnhaus geltende höchstzulässige Schattenwurfdauer der Windenergieanlage (30 Stunden/Jahr und 30 Minuten/Tag) eingehalten wird. Bei etwaiger Überschreitung muss die betroffene Windenergieanlage dann abgeschaltet werden.
Für die Beurteilung weiterer genehmigungsrechtlicher Details empfehlen wir Ihnen, sich zwecks Beratung an einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht zu wenden.
Lesen Sie mehr:
(Folge 27-2023)