Wochenblatt-Leserin Lisa D. fragt: In meiner Nachbarschaft soll ein Windrad gebaut werden. Dafür soll ein 4 m breiter Weg auf 18 m verbreitert werden. Davon wäre dann auch meine Wiese betroffen. Muss ich das dulden? Am Windrad bin ich nicht beteiligt. Wenn ich das dulden muss, wie viel Entschädigung steht mir zu?
Thomas Hemmelgarn, Rechtsanwalt, WLV, antwortet: Eigentümer muss gar nichts: Grundsätzlich besteht keine Duldungspflicht für Grundstückseigentümer bezogen auf die Inanspruchnahme von Flächen für die Erschließung durch die Herstellung von Zuwegungen für Windenergieanlagen.
Wenn es nicht anders geht – Notwegerecht: In Ausnahmefällen kann zugunsten des Betreibers ein Notwegerecht nach § 917 BGB mit entsprechender Duldungspflicht des Grundeigentümers bestehen. Dieses kommt aber nur in Betracht, wenn eine anderweitige Zuwegung als über das Grundstück des betroffenen Grundeigentümers überhaupt nicht möglich ist; zudem kann ein solches Notwegerecht nur für eine zeitweilige Inanspruchnahme von Grundstücken, z. B. in der Bauphase, bestehen.
Wenn es um die Energieversorgung geht – Eingriff ins Grundrecht: Darüber hinaus ist es nach § 45 des Energiewirtschaftsgesetzes grundsätzlich möglich, Grundstücke für Vorhaben zum Zwecke der Energieversorgung auch gegen den Willen des Eigentümers in Anspruch zu nehmen. Die Inanspruchnahme würde aber nicht zum Entzug des Eigentums, sondern zur Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zur Sicherung des Rechts auf Zuwegung führen. Allerdings sind die Anforderungen für einen solchen Anspruch aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Grundrechte des Grundeigentümers so hoch, dass er in der Praxis kaum durchsetzbar ist.
Nur, wenn Eigentümer einverstanden ist
Daher kommt regelmäßig eine Inanspruchnahme von Grundstücken für die Zuwegung oder auch für die Verlegung von Leitungen für eine Windenergieanlage nur mit Einverständnis des Grundstückseigentümers in Betracht. Dabei ist die Höhe der für die Grundstücksnutzung zu zahlenden Entschädigung frei verhandelbar.
Der Gesetzgeber übt Druck aus: Allerdings hat das Bundeskabinett am 16. August 2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung (sog. Solarpaket I) beschlossen. In diesem Gesetzentwurf ist u. a. vorgesehen, dass Grundstückseigentümer zur Duldung von Anschlussleitungen für erneuerbare Energieanlagen verpflichtet werden. Darüber hinaus soll eine Duldungspflicht für die Überfahrt von Grundstücken zur Errichtung und zum Rückbau begründet werden. Die letztgenannte Duldungspflicht für die Überfahrt und auch die Überschwenkung von Grundstücken soll aber nur für Windenergieanlagen und nur für den Zeitpunkt der Errichtung und den Rückbau dieser Anlagen gelten.
Entschädigung ist vorgesehen: Soweit die damit einhergehende Nutzungsbeeinträchtigung für den Eigentümer unzumutbar ist, entfällt diese Duldungspflicht. Im Falle einer zu duldenden Überfahrt sieht der Gesetzentwurf eine pauschale Entschädigung von 28 €/Monat/ha vor. Etwaige weitergehende Schadenersatzansprüche, z. B. wegen zukünftiger Flurschäden, bleiben hiervon aber unberührt.
Bauernverband ist gegen Entwurf: Dieser Gesetzentwurf ist nunmehr im parlamentarischen Verfahren durch Bundestag und Bundesrat zu beraten; es bleibt abzuwarten, inwieweit er noch abgewandelt wird. Seitens des Bauernverbandes wird eine gesetzliche Duldungspflicht in der vorgesehenen Form abgelehnt; stattdessen soll, wie bislang auch, anstelle einer Duldungspflicht eine Inanspruchnahme nur im Wege von freien Verhandlungen zwischen den Parteien möglich sein.
Für eine weitergehende Beratung empfehlen wir Ihnen, sich mit der Geschäftsstelle Ihres Kreisverbandes in Verbindung zu setzen.
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(Folge 46-2023)