Wochenblatt-Leserin Marion W. fragt: Mein Nachbar will sein Grundstück mit Haus und Stall verkaufen. Die Zufahrt verläuft nur über meine Flurstücke. Im Grundbuch wurde kein Wegerecht eingetragen. Kann der Käufer einen Grundbucheintrag nach dem Eigentümerwechsel aufgrund von Gewohnheitsrecht einklagen? Kann ich die Benutzung meiner Grundstücke verweigern oder muss ich ein Notwegerecht einräumen?
Dr. Jobst-Ulrich Lange, Rechtsanwalt, Bielefeld, antwortet: Kein Dulden: Nach Ihren Recherchen soll die Zuwegung zum Nachbargrundstück nicht als Wegerecht in Form einer Dienstbarkeit im Grundbuch Ihres Grundstückes eingetragen sein. Demnach müssen Sie als Grundstückseigentümer nach einem Verkauf dieses Wegerecht erst einmal nicht „dulden“. Auch wenn es zwischen Ihnen und Ihrem Grundstücksnachbarn in der zurückliegenden Zeit eine schriftliche oder mündliche Vereinbarung zu dem Wegerecht gegeben haben sollte, wird diese Vereinbarung im Falle der Veräußerung und damit des Eigentümerwechsels „hinfällig“, da der neue Grundstückseigentümer nicht „automatisch“ in diese Vereinbarung „eintritt“.
Kein Gewohnheitsrecht: Ein Wegerecht entsteht auch nicht durch „Gewohnheitsrecht“ unter der Voraussetzung einer jahrelangen Duldung. Ein Wegerecht aufgrund Gewohnheitsrechts konnte nur vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor dem 1. Januar 1900 durch 30-jährige ununterbrochene „Ausübung“ des Wegerechts entstehen. Davon gehen wir aber aufgrund Ihrer Angaben nicht aus.
Wichtige Unterschiede
Zu unterscheiden ist das dinglich gesicherte Wegerecht (Dienstbarkeit) im Grundbuch von der Verpflichtung eines Eigentümers zur Duldung einer Zuwegung durch Baulast im Baulastenverzeichnis Ihrer Gemeinde.
Bedeutung der Baulast: Im Rahmen der Erteilung von Baugenehmigungen seit den 1960er-Jahren und dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches sowie anschließend der Landesbauordnungen wurde das Rechtsinstitut der Baulast in der Landesbauordnung NRW geschaffen. Eine Baulast dient dazu, ein öffentlich-rechtliches „Hindernis“ der Erteilung der Baugenehmigung zu beseitigen. So kann die fehlende Zuwegung eines Grundstückes zu einer öffentlichen Straße der Erteilung einer Baugenehmigung entgegenstehen. Um dieses Hindernis zu beseitigen, kann der „duldende“ Grundstückseigentümer eine Zuwegungsbaulast über sein Grundstück bewilligen und dadurch die Erreichbarkeit des (benachbarten) Gebäudes sicherstellen, etwa für die Müllabfuhr, die Feuerwehr, Krankenwagen, die Postzustellungen usw.
Baulast steht im Verzeichnis
Eine solche Zuwegungsbaulast ist möglicherweise im Baulastenverzeichnis Ihrer Gemeinde eingetragen und dauert – wie auch die Dienstbarkeit – prinzipiell für die „Ewigkeit“, also unabhängig vom jeweiligen Grundstückseigentümer.
Hierauf weisen wir nur vorsorglich hin, damit Sie das gegebenenfalls noch überprüfen. Allerdings kann es durchaus sein, dass der Gebäudebestand auf dem Nachbargrundstück aus der Zeit vor Inkrafttreten der ersten Landesbauordnung NRW stammt und deshalb keine Baulast zu Ihren Lasten besteht oder es wurde im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens schlichtweg übersehen.
Bedeutung des Notwegerechts
Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung erforderliche Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann sich der Eigentümer dieses Grundstückes – hier also Ihr (zukünftiger) Grundstücksnachbar – womöglich Ihnen gegenüber auf ein Notwegerecht nach § 917 BGB berufen. Allerdings ist das in erster Linie ein „steiniger“ Weg für Ihren Nachbarn, weil dieser keinen Anspruch darauf hat, dass eine bereits vorhandene Zuwegung über Ihr Grundstück zwingend für seine Zuwegung zur Verfügung gestellt werden muss, auch wenn das auf den ersten Blick zweckmäßig erscheinen mag.
Das Notwegerecht gibt dem Grundstücksnachbarn nur einen Anspruch auf Duldung der Zuwegung gegen Zahlung einer Rente, das heißt eines (jährlich) wiederkehrenden Betrages. Der Verlauf des Wegerechts ist im Streitfalle durch ein Gericht zu bestimmen und Ihr Grundstücksnachbar hat auch keinen Anspruch auf ein Notwegerecht über die „kürzeste“ Verbindung oder eine bereits zuvor genutzte Verbindung zur öffentlichen Straße.
Vor einer rechtlichen Auseinandersetzung sollten Sie eine rechtlich umfangreichere Beratung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt oder den für Sie zuständigen Landwirtschaftlichen Kreisverband in Anspruch nehmen.
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(Folge 4-2024)