Wochenblatt-Leser Philipp M. in G. fragt: 1980 schloss mein Opa mit der RWE eine Vereinbarung, wonach für den Bau einer Hochspannungsfreileitung ein Leitungsrecht eingeräumt wurde. RWE zahlte eine Entschädigung. Die Leitung führt durch Wald, wofür eine Schneise abgeholzt wurde. Vereinbart wurde auch, dass RWE Bäume und Sträucher entfernen bzw. kurz halten darf, wenn diese die Leitungen gefährden. Hat der jetzige Netzbetreiber Westnetz gemäß dieser Vereinbarung das Recht, auch heute noch Bäume zu schneiden und das Holz zu behalten?
Hubertus Schmitte, Rechtsanwalt, WLV, kann informieren: Mit der Vereinbarung, die 1980 geschlossen wurde, haben Ihre Rechtsvorgänger im Eigentum mit der RWE vereinbart, dass dem Bau einer Hochspannungsfreileitung über Ihre Grundstücke zugestimmt wird. Es wurde ein dingliches Recht bewilligt, welches in das Grundbuch eingetragen wurde, nämlich eine „beschränkte persönliche Dienstbarkeit“. Nach dieser Dienstbarkeit ist RWE berechtigt, Ihre Grundstücke für den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung der Hochspannungsfreileitung mit den dazugehörigen Masten und Zubehör in Anspruch zu nehmen und betreten zu lassen.
Schutzstreifen für Leitung
In einem Schutzstreifen von 28 m Breite ist die Errichtung von Bauwerken unstatthaft. Bäume und Sträucher dürfen in einem Schutzstreifen von 46 m Breite die Leitung nicht gefährden und auch Montage- und Unterhaltungsarbeiten sowie Arbeitsfahrzeuge nicht behindern. Vereinbart wurde ausdrücklich, dass RWE berechtigt ist, die die Leitung gefährdenden Bäume und Sträucher zu entfernen bzw. kurz zu halten.
Entschädigung für Ertragsverlust und Wertminderung
Als Entschädigung haben Sie für den Abtrieb des hiebsunreifen Holzes und für die forstliche Aufwuchsbeschränkung in dem Schutzstreifen von 46 m Breite eine Entschädigung erhalten, wobei hinsichtlich der Aufwuchsbeschränkung die sogenannte Bodenbruttorente zugrunde gelegt wurde. Das bedeutet, dass der gesamte zukünftige entgangene Gewinn in dem genannten Arbeitsstreifen von 46 m Breite entschädigt wurde, mit anderen Worten der Ertragsverlust dadurch, dass hier keine forstliche Nutzung mehr stattfinden kann.
Zudem wurde der Rechtsverlust entschädigt, also die Bodenwertminderung durch die Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Ausdrücklich heißt es in der Vereinbarung, dass die 46 m breite Waldbeschränkung mit diesen Zahlungen einschließlich des eventuell später zu räumenden, wiederaufgeforsteten Bestandes sowie sonstigen Nachwuchses voll entschädigt ist. Im Falle einer Wiederaufforstung innerhalb des Schutzstreifens durch den Nutzungsberechtigten sei die Leitungsachse 5 m breit als Geh- und Fahrweg freizulassen.
Beschränkte persönliche Dienstbarkeit
Eine solche beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist in § 1090 BGB geregelt. Sie hat zum Inhalt, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen. In Ihrem Fall wurde also ein Nutzungsrecht zugunsten der RWE vereinbart. Gemäß § 1092 Abs. 3 BGB konnte die RWE dieses Nutzungsrecht auf den heutigen Leitungsbetreiber, die Westnetz GmbH, übertragen. Es gilt also auch zugunsten der Westnetz.
Kein Nießbrauchsrecht
Mit dieser beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist aber nicht verbunden, dass der Aufwuchs nunmehr der Westnetz zu Eigentum gehören würde. Es ist kein Nießbrauchsrecht vereinbart, welches nämlich zur Folge hätte, dass die Westnetz den Grundstücksstreifen selber nutzen dürfte, beispielsweise um Gehölze anzubauen. Stattdessen steht Ihnen als Eigentümer des 46 m breiten Streifens weiterhin das Nutzungsrecht zu und auch das Eigentum an den Erzeugnissen des Grundstücks, also den Bäumen und Pflanzen (§ 94 Abs. 1 BGB).
Allerdings hat die Westnetz aufgrund der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit das Recht, Bäume und Sträucher zu kürzen oder zu entfernen, wenn eine Leitungsgefährdung droht. Das entfernte Holz ist Ihr Eigentum, und das, obwohl Sie für den Nutzungsentgang bereits entschädigt wurden. In der Praxis gestatten viele Höchstspannungsleitungsbetreiber die Nutzung der Leitungstrassen durch Wald beispielsweise für den Anbau von Weihnachtsbäumen oder anderen Bäumen, die nicht so hoch wachsen, dass sie die Leitung gefährden könnten.
Mit Netzbetreiber kommunizieren
Sie sollten sich mit dem Netzbetreiber im Einzelnen abstimmen. Ihnen muss aber bewusst sein, dass Westnetz die Nutzung der Trasse für die Höchstspannungsfreileitung gestattet ist, und dass Westnetz berechtigt ist, alle die Leitung gefährdenden Pflanzen und Bäume zu entfernen.
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(Folge 43-2023)