Milchmarkt

Der Wind hat sich gedreht

Corona, Krieg und Inflation verändern das Einkaufsverhalten. Auch am Molkereiregal. Es wird weniger gekauft. Und immer häufiger landen günstige Handelsmarken in den Einkaufswagen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Lebensmittelpraxis.

Milch ist nicht gleich Milch. Das haben wir in den letzten Jahren gelernt. Am Mopro-Regal zeigt sich, was möglich ist: Weide-, Tierwohl-, Heu-, Bio-, Ur-, Alpen-und Landmilch. Facettenreich. Je nach Herkunft. Milch hat längst das Image des anonymen Massenproduktes abgelegt. In der weißen Linie galt Differenzierung als das Zauberwort für Wertschöpfung. Jedenfalls in den letzten Jahren. Und wer etwas Besonderes will, muss dafür ein bisschen tiefer –oder auch viel tiefer –in den Geldbeutel greifen. Die Schere zwischen Preiseinstieg und Markensegment stieg enorm. So kostete im Januar dieses Jahres ein Liter Trinkmilch mit 3,5 Prozent Fett der Aldi-Eigenmarke 80 Cent. Für einen Liter Jersey-Weidemilch musste man mehr als das Dreifache berappen.

Trotzdem fanden auch solche Milchsorten ihre Käufer. Experten meinten damals –und dieses damals ist erst gut ein halbes Jahr her –, dass das Potenzial solcher Markenmilchsorten –besonders wenn sie ein gewisses „Extra“ böten –enorm sei. Doch ganz abrupt hat sich der Wind gedreht. Nicht die Corona-Pandemie mit Gastronomie- und Kantinenschließungen war es, die den Molkereimarkt durcheinanderbrachte, sondern deren wirtschaftliche Spätfolgen. Der Zusammenbruch von Lieferketten. Es fehlen bis zum heutigen Tag Rohstoffe und Verpackungsmaterialien.

„Die explosionsartig gestiegenen Kosten in den Bereichen Energie, Frucht, Milch, Zucker, Verpackungen und so weiter konnten nur mit Zeitverzug und nicht in vollem Umfang an den Handel weitergegeben werden“, sagt Susanne Bagaméry, Head of Product Management bei Ehrmann. Wenn auch nicht komplett, so konnten die Molkereien im laufenden Jahr doch schon mehrmals Preisanhebungen im Handel durchsetzen. Was sich schon zu Corona-Zeiten abzeichnete, wurde seit Beginn des Jahres 2022 für Verbraucher sichtbar: flächendeckende Preissteigerungen am PoS. Mit der Konsequenz, dass es beispielsweise Milch unter einem Euro nicht mehr gibt. Seit Juli kostet der Liter Vollmilch im Preiseinstiegssortiment 1,09 Euro.

Aber nicht nur Milch ist teurer geworden. Auch bei Quarkprodukten zogen die Preise an. Speisequark mit 40 Prozent Fettanteil und Quarkcreme mit Frucht schnellten von 99 Cent auf 1,49 Euro. Mit über viele Warengruppen hinweg steigenden Preisen stieg und steigt auch die Inflationsrate. Auf satte 7,6 Prozent im Juni. Dazu beigetragen haben überproportional auch die Ausgaben für Milch und Milchprodukte im Lebensmitteleinzelhandel. Laut NielsenIQ sind die im Vergleich zum Vorjahresmonat im Mittel um 19,1 Prozent gestiegen. Dabei war die Teuerungsrate für Magerquark mit 62 Prozent am höchsten.

Verbraucher sparen merklich

Wen wundert’s, wenn da bei Verbrauchern die zentrale Frage lautet: „Wie viel Geld kann ich im Monat ausgeben, und wo will und muss ich sparen?“ Laut einer aktuellen GfK-Studie machen sich 86 Prozent der Menschen Sorgen um Preissteigerungen bei Gütern des täglichen Bedarfs. 50 Prozent wollen ihr Konsumverhalten umstellen. Das bedeutet konkret: sparen. Dabei wird häufig beim privaten Konsum zu Hause der Gürtel enger geschnallt.

Das geschieht derzeit auf zwei Ebenen. So versuchen Menschen durch Konsum- und Ausgabenzurückhaltung beim Einkauf harte Preissteigerungen im Lebensmittelhandel zu kompensieren. Das funktioniert zum einen dadurch, dass weniger Milchprodukte gekauft werden. Erstaunlich, wo Milch und Milchprodukte doch zu den Grundnahrungsmitteln zählen. Geht aber scheinbar doch. So sank, laut Nielsen IQ, im ersten Halbjahr 2022 die private, mengenmäßige Nachfrage nach Trinkmilch um rund 10 Prozent, nach Quark um 8 Prozent, nach Joghurt um 5 Prozent und nach Sahne um 9 Prozent.

Zum anderen wird preisbewusster eingekauft. Oliver Bartelt, Global...