Wochenblatt-Leserin Linn D. in R. fragt: Wenn ich den Satz „Weitergabe, Vervielfältigung nicht gestattet“ über die Adresse auf meinen Brief schreibe, darf der Brief dann weitergegeben werden? Wenn nicht, wie gehe ich vor, wenn er doch weitergegeben wird?
Hubertus Schmitte, Rechtsanwalt, WLV, nimmt Stellung: Das Briefgeheimnis ist ein hohes Gut. Bereits das Grundgesetz schützt in Artikel 10 dieses Recht, indem es heißt: „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“
Das Briefgeheimnis wird konkretisiert durch § 202 Strafgesetzbuch. Danach wird mit Freiheits- oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen verschlossenen Brief, der nicht zu seiner Kenntnis bestimmt ist, öffnet. Ferner sind durch § 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) die Vertraulichkeit der Kommunikation und das Fernmeldegeheimnis geschützt. Urheberrechtlich geschützt ist auch das Vervielfältigungsrecht. Nach § 15 Urheberrechtsgesetz hat der Urheber das ausschließliche Recht, über die Vervielfältigung seines Werkes zu entscheiden.
Briefgeheimnis ist Persönlichkeitsrecht
In Ihrem Fall geht es aber offensichtlich um den Schutz der Diskretion in einem privaten Brief. Sie möchten nicht, dass der Inhalt Ihres Briefes weitergegeben oder vervielfältigt wird. Geschieht dies dennoch und gegen Ihren Willen, kann darin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegen. Das Persönlichkeitsrecht ist durch § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – neben anderen Rechten – geschützt. So kann die Weitergabe von Angelegenheiten aus einer fremden Privatsphäre eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, zum Beispiel die Veröffentlichung fremder Briefe oder Tagebücher.
So hat der Bundesgerichtshof bereits durch Urteil vom 25.05.1954 (Az. I ZR 211/53) entschieden, dass Briefe oder sonstige private Aufzeichnungen in der Regel nicht ohne Zustimmung des Verfassers und nur in der vom Verfasser gebilligten Weise veröffentlicht werden dürfen. Das folge – so der Bundesgerichtshof – aus dem in Artikel 1 und Artikel 2 des Grundgesetzes verankerten Schutz der Persönlichkeit.
Unterlassung und Schadenersatzansprüche
Ein Verstoß gegen dieses Persönlichkeitsrecht hat die Pflicht zur Unterlassung und zum Schadenersatz zur Folge. In schweren Fällen kann auch ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Betracht kommen. Sie könnten folglich bei dem Satz, den Sie auf Ihren Brief als Warnhinweis schreiben möchten, ausdrücklich ergänzen, dass ein Verstoß zu Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen führt.
Doch letztlich stellt sich die Frage, ob Sie einen Verstoß werden beweisen können. Denn wie wollen Sie beweisen, ob der Inhalt Ihres Briefes weitergegeben wurde? Dies könnte im Einzelfall schwierig sein. Daher bleibt es letztlich eine Vertrauensfrage, was Sie einem anderen in einem Brief mitteilen. Wenn Sie große Sorge haben, dass diese Person indiskret ist und den Inhalt weitergibt, sollten Sie vielleicht auf die Briefform verzichten und eine mündliche Aussprache suchen.
Lesen Sie mehr:
(Folge 3-2024)