Astrid (Name geändert) ist das älteste von vier Kindern. Schon früh half sie auf dem elterlichen Betrieb mit. Nach dem Abitur schloss sie eine Ausbildung zur Landwirtin ab. Mit 28 Jahren übernahm sie den Hof, der in der Höferolle ist. Da war sie bereits seit zwei Jahren mit Horst (Name geändert) verheiratet. Ihre gemeinsame Tochter war ein Jahr alt. Dennoch stand die junge Mutter allein im Grundbuch. „Es war nie eine Option, dass mein Mann ins Grundbuch kommt“, sagt die patente Landwirtin. Daher war für Horst klar: „Ich gebe meinen Job nicht auf – schließlich muss ich mich ja irgendwie absichern.“
Der Hof als Bank
Horst stammte aus dem Nachbarort. Er verdiente sein Geld als Heizungsinstallateur. „Jeder hatte sein eigenes Einkommen“, ist das Paar noch heute von dem gemeinsamen Entschluss überzeugt, sich so für den Scheidungsfall abzusichern. Einen Ehevertrag oder ein Testament verfassten sie nicht. Horst war als Angestellter vor Verdienstausfällen durch seine Arbeitslosenversicherung geschützt. „Für mich war der Hof eine sichere Bank“, sagt Astrid, wohlwissend, dass sie das volle unternehmerische Risiko trug. „Aber auch als Ehefrau war sie abgesichert“, betont Christina Titgemeyer, Fachberaterin für Sozial- und Sozialversicherungsrecht beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV).
Was wäre wenn
Wäre Horst verstorben, hätte Astrid Ansprüche auf eine Witwenrente aus seinem Einkommen gehabt. Allerdings wären ihre eigenen Einkünfte auf die Hinterbliebenenrente angerechnet worden. „Diese Rente erhält nur, wer nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann“, ergänzt Titgemeyer.
Für Horst hätte es so ausgesehen: Die Tochter hätte als ältestes und einziges Kind laut Höfeordnung (HöfeO) den Hof geerbt. Bis zu ihrem 25. Lebensjahr hätte ihr Vater den Betrieb lediglich verwaltet. „In dieser Zeit stünde ihm die Nutznießung zu“, erklärt Juristin Sophia Holste, WLV. Horst hätte also weiter auf dem Hof wohnen dürfen und alles Geschäftliche für den Betrieb regeln müssen. Grund und Boden hätte er hingegen nicht verkaufen dürfen.
Erst erben und dann retour
„In der Praxis kommt es vor, dass der Betrieb bei Tod des Hofübernehmers oder der -übernehmerin zurück an den Erblasser fällt“, gibt Juristin Holste zu bedenken. Das kann möglicherweise dazu führen, dass der verwitwete Ehepartner den Hof verlassen muss. Ausschlaggebend ist nicht die HöfeO, sondern eine Rückforderungsklausel, welche die Parteien im Übergabevertrag beschließen können.
Das haben Astrid und ihre Eltern nicht getan. Horst stünde in jedem Fall laut HöfeO eine Abfindung zu. Verzichtet er auf diese, hätte er Anspruch auf das übliche gesetzliche Altenteil. Unter Umständen bekäme er auch eine Witwerrente. „Diese ist aber in der Regel gering“, betont die Fachberaterin Titgemeyer.
Im Fall von Horst und Astrid bleibt es bei diesem Gedankenspiel.
Die Jahre gingen ins Land. Astrid stemmte ihren 55 ha großen Milchviehbetrieb allein.
Betrieb und privat getrennt
„Meine Mutter unterstützte mich im Haushalt und bei der Betreuung unseres Kindes. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar“, erzählt die Landwirtin. Ihr Mann hielt sich aus allen betrieblichen Entscheidungen raus. Auch bezüglich der Finanzierung. „Wir haben das immer voneinander getrennt“, sagen die Eheleute, die vor drei Jahren ihre Silberhochzeit feierten. Bis heute gilt für sie das Credo: Investieren sie zusammen in etwas, dann rein privat. So auch Anfang vergangenen Jahres, als sie auf der Hofstelle ein Haus bauten, um dort im Alter zu wohnen.
Aus juristischer Sicht hat das Konstrukt jedoch einen Haken. Ein Altenteilerhaus zählt zum Betriebsvermögen. Wenn das Haus auf der Hofstelle gebaut wurde, gehört es auch zum Betrieb und wird mit ihm übertragen. Denn eine Baugenehmigung für ein Gebäude im Außenbereich gibt es nur für privilegierte Bauwerke, wie eine Altenteilerwohnung.
Die Expertinnen vom WLV raten deshalb, den Übergabevertrag so zu gestalten, dass das Ehepaar das Haus für sich zum Wohnen behält. Mit dem Hausbau machten Astrid und Horst auch ihr Testament. Sie setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Zeitgleich übergab Astrid den Hof an ihre Tochter.
„Er wollte mich ...“
Eine solch konsequente Trennung der Einkommen ist nicht selbstverständlich. Fließt doch Geld des Partners oder der Partnerin in den Betrieb, sollten beide Seiten das schriftlich dokumentieren. „Handelt es sich um große Summen, sollten die Eheleute sich per Vertrag absichern“, rät Titgemeyer.
Rückblickend würden sich Astrid und Horst wieder für ihren Weg entscheiden. Für Astrid kommt nämlich noch ein emotionaler Aspekt hinzu: „Bei der Hochzeit konnte ich mir sicher sein, dass mein Mann mich heiraten wollte – und nicht meinen Betrieb.“
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