Mettingen ist tief gespalten

Seitdem die Landwirtsfamilie Borchelt in Mettingen, Kreis Steinfurt, ihren Betrieb mit knapp 700 Sauen um einen Stall mit 4140 Ferkelaufzuchtplätzen (mit Abluftfilter) erweitern möchte, schaukeln sich die Wogen auf. Der Grund: Der nach landwirtschaftlichem Baurecht an der Hofstelle der Borchelts geplante Stall würde in rund 200 m Entfernung von zwei Schulen und einem Wohngebiet liegen.

Unter dem Motto „Es reicht! 10.000 Schweine und Ferkel sind hier genug“ hatten die Mettinger Wählergemeinschaft, die FDP und die Grünen am Montag zu einer Veranstaltung eingeladen. Dafür war eigens der pensionierte Professor für Veterinärmedizin, Dr. Siegfried Ueberschär, eingeladen worden, der unter dem Vortragstitel „Massentierhaltung macht krank“ zu einer Generalabrechnung ansetzte.

Der Pensionär zeigte Bilder von blutig gebissenen Schweineschwänzen und Großanlagen voller Kastenstände. Er behauptete, heutige Ställe seien ein „riesiges Trainingsgelände für MRSA-Keime“. Zwar gebe es für den Einsatz von Antibiotika Gesetze und Aufzeichnungspflichten, doch diesen entzögen sich die Landwirte durch Tricksereien. Am Ende des Vortrags, in dem Fleisch als „Opium fürs Volk“ bezeichnet wurde und immer wieder Kritik an der „neoliberal-kapitalistischen Marktwirtschaft“ durchschimmerte, hielt es viele Besucher nur noch schwerlich auf den Stühlen.

"Wollen Sie, dass ein Kind durch MRSA ein Bein verliert?"

Neben den Anwohnern waren auch viele Landwirte und Tierärzte nach Mettingen gekommen, um mitzudiskutieren. Albert Rohlmann, stellvertretender Vorsitzender des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes im Kreis Steinfurt, bekam donnernden Applaus, als er unpräzise oder fehlerhafte Aussagen Ueberschärs zurechtrückte und dessen Vorwurf eines kriminellen Umgangs der Landwirte mit ihren Antibiotikadaten energisch zurückwies.

Als ein Anwohner fragte, ob bald mit jedem Lungenzug eine „Keim­infektion“ drohe, konnte der vermeintliche „Experte“ des Abends, Prof. Ueberschär, nur ausweichend antworten und verwies auf eine Studie zu Hähnchentransporten in den USA. Dann fragte er allen Ernstes in Richtung der Landwirte: „Wollen Sie, dass hier ein Kind ein Bein durch eine MRSA-Infektion verliert?“

Alle wissen es besser, doch keiner fragt nach

Bei so viel Polemik ging fast unter, dass der Tierarzt Rolf Nathaus einordnete, dass die Wahrscheinlichkeit, durch Abluft aus dem Stall krank zu werden, sehr gering sei. Die Tierärztin Nadine Henke berichtete vom Alltag auf dem Betrieb ihrer Familie mit 1200 Sauen: „Ich habe selbst zwei kleine Kinder, die ich auch mit in den Stall nehme. Die Ängste, die hier geschürt werden, stimmen einfach nicht.“

Der Moderator der Veranstaltung begann, Landwirten das Wort zu entziehen und bemühte sich, die Veranstaltung rasch zu beenden. Leonie Borchelt, die Tochter des Landwirts, rief den Veranstaltern gegen Ende der Diskussion zornig entgegen: „Alle wissen es besser, doch keiner hat direkt mit uns gesprochen!“ Ihre Familie hat keine Ausweichmöglichkeiten für den Bau an einem anderen Standort und erlebt seit Wochen einen Spießrutenlauf.

Wie die aufgerissenen Gräben wieder geschlossen werden sollen, bleibt ein Rätsel. Mettingen ist tief gespalten. Matthias Schulze Steinmann

Einen ausführlichen Bericht über die Veranstaltung veröffentlicht das Landwirtschaftliche Wochenblatt in seiner aktuellen Folge 13 vom 26. März 2015.