"Keine Schuldzuweisung an Landwirte"



Landwirtefreundlich und moderat im Ton gab sich Josef Tumbrinck bei der Vorstandssitzung des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) am Dienstagnachmittag in Münster. Der hauptamtliche Vorsitzende des Landesverbandes NRW im Naturschutzbund (NABU) referierte dort als Gast und sprach über Konflikte und Gemeinsamkeiten von Naturschützern und Landwirten.

Negative Wirkung

Artensterben und Stickstoffkreisläufe sind die Probleme, mit denen sich die Landwirtschaft aus Sicht von Tumbrinck vorrangig auseinandersetzen sollte. Anspruch der organisierten Naturschützer ist, die landwirtschaftlichen Flächen als Lebensraum zu erhalten. Bedroht sieht er dies sowohl durch den Verlust der Flächen an sich, aber auch durch Intensivierung, den Rückgang artenreichen Grünlands und Nährstoffanreicherung.

Ausdrücklich betonte Tumbrinck, dass es dabei nicht um Schuldzuweisungen an die Landwirtschaft gehe. Vieles, was aus seiner Sicht nicht gut ist, sei einfach dem Wettbewerbsdruck geschuldet, dem die Landwirte ausgesetzt seien. Aber, so seine Schlussfolgerung: Auch ohne individuelle Schuld ist die Wirkung negativ.

Aus Sicht des Naturschutz-Funktionärs muss die Agrarpolitik das "gesellschaftliche Ziel" umsetzen, die Biodiversität (Artenvielfalt) in Agrarlandschaften zu erhalten. Deshalb sei es richtig, den Naturschutz in die landwirtschaftliche Produktion zu integrieren. Artenvielfalt müsse zu einem Produkt der Landwirtschaft werden, so wie Nahrungsmittel oder Energie. Wörtlich: "Naturschutz mit der Landwirtschaft ist richtig." Umgekehrt aber auch: Wenn die Integration des Naturschutzes nicht gelingt, dann muss das bisherige System in Frage gestellt werden.

Heißer Herbst

Bei aller Verbindlichkeit im Ton gibt es also auch großes Konfliktpotenzial zwischen Naturschutz und Landwirtschaft, beispielsweise im Zusammenhang mit dem neuen Landesnaturschutzgesetz, welches das bisherige Landschaftsgesetz ablösen soll. Tumbrinck selbst nannte als Stichworte die gute fachliche Praxis, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, gesetzlich geschützte Biotope und das Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand bzw. Naturschutzorganisationen bei unter Schutz stehenden Flächen.

"Dazu werden wir uns zusammensetzen", kündigte der NABU-Vorsitzende an, und mit Blick auf die zu erwartenden Auseinandersetzungen prophezeite er einen "heißen Herbst".

WLV-Präsident Johannes Röring würdigte den konstruktiven Dialog mit Tumbrinck, forderte ihn aber gleichzeitig auf, sich von aggressiven Scharfmachern in den Reihen der Naturschutz-Aktivisten zu distanzieren. Die sich anschließende einstündige Diskussion mit den Vorstandsmitgliedern zeigte deutlich, wie unterschiedlich die Positionen von Bauernverband und Naturschutzbund mitunter sind. ri

Einen ausführlichen Bericht von der WLV-Vorstandssitzung finden Sie in der Wochenblatt-Ausgabe 29 vom 16. Juli.