Glyphosat: Anhörung im Bundestag

Keinen Anlass für Schnellschüsse in Sachen „Glyphosat“ sieht der Vorsitzende vom Ernährungsausschuss des Bundestages, Alois Gerig (CDU). In der gestrigen Anhörung zu dem Herbizidwirkstoff haben sich aus seiner Sicht sich keine Erkenntnisse ergeben, die ein sofortiges Verbot oder eine sofortige Änderung der Anwendungsbestimmungen erforderlich machten.

Laut Gerig bestehen weiterhin unterschiedliche Auffassungen in der Frage, ob Glyphosat erbgutschädigend und krebserzeugend ist. Nach wie vor gebe es Zweifel an der Aussagekraft einzelner Studien. „Die offenen Fragen müssen geklärt werden, bevor auf europäischer Ebene über die Neuzulassung des Wirkstoffs entschieden wird“, fordert der Ausschussvorsitzende.

"Für leistungsfähige Landwirtschaft wichtig"

Außer Frage steht für Gerig, dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel für eine leistungsfähige Landwirtschaft in Deutschland von großer Bedeutung sind. Zudem habe der Wirkstoff erheblich zu einer umweltschonenden und effizienten Bodenbearbeitung beigetragen. In der Anhörung sei berichtet worden, dass in Ländern mit Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ein Vielfaches von Glyphosat ausgebracht werde.

Nach offiziellen Angaben werden in Deutschland pro Jahr rund 5.900 Tonnen Glyphosat in der Landwirtschaft und etwa 40 Tonnen im Haus- und Kleingartenbereich ausgebracht. Weltweit würden rund 650.000 Tonnen pro Jahr eingesetzt, der Verbrauch sei steigend. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist Glyphosat weltweit einer der am meisten eingesetzten Pflanzenschutz-Wirkstoffe. Er verhindert unerwünschten Pflanzenwuchs im Kulturpflanzenbau und beschleunigt den Reifeprozess bei Getreide (Sikkation).

Standpunkte in der Anhörung

Laut Mitteilung des Deutschen Bundestags waren bei der Anhörung in Berlin die folgenden Experten und Standpunkte vertreten:

Prof. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung: Eine Analyse des Bundesinstitutes hat ergeben, dass „bei sachgemäßer Anwendung“ der Wirkstoff nicht krebserregend ist. Doch das muss nicht für alle Beistoffe wie Netzmittel (Tallowamine) gelten, die mit dem Wirkstoff zusammen bei der Anwendung ausgebracht werden.

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes: Die EU-Zulassungsverfahren weisen im internationalen Vergleich einen hohen Standard auf. Aus Sicht der Landwirte fällt Glyphosat in der Praxis eine Schlüsselrolle zu aufgrund des einfachen Wirkmechanismus und der Bedeutung bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittels bei der bodenkonservierenden Bearbeitungsmethode, die unter anderem die Bodenfruchtbarkeit erhöhen soll. Zwar ist der Ersatz des Wirkstoffes durch andere möglich, macht aber einen Einsatz anderer „Wirkstoffcocktails“ erforderlich, die in Bezug auf Resistenzbildung viel schwieriger zu handhaben ist.

Prof. Dr. Karen Friedrich von der Fundação Oswaldo Cruz, Sergio Arouca National School of Public Health in Rio de Janeiro: Glyphosat hat das Potenzial, Schaden zu verursachen. Studien an Zellkulturen und Labortieren haben Schädigungen aufgezeigt. Auch bei Konsumenten von Lebensmitteln haben Rückstände nachgewiesen werden können. Glyphosat wird schnell ausgeschieden, das macht den Nachweis schwierig. Das heiße jedoch nicht, dass das keine toxikologische Wirkung zur Folge haben könne.

Prof. Dr. Helmut Greim von der Technischen Universität München: Er hat kein Verständnis für die Aufregung in der Diskussion über den Wirkstoff. Zwar ist Glyphosat eine toxische Substanz, aber die Betrachtung der Anwendung und der Anwendungsbedingungen lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass die Anwender oder Verbraucher gefährdet sind. Greim spricht sich für die Verlängerung der Zulassung des Wirkstoffes aus, weil „kein Problem existiert“.

Prof. Dr. Eberhard Greiser vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen: Er kann die Bewertung hinsichtlich der wahrscheinlich krebserregenden Wirkung des Stoffes nachvollziehen. Kritik äußerte er an der Stellungnahme des BfR, das nur Glyphosat singulär betrachtet habe, jedoch nicht in Zusammenwirkung mit den in den Pflanzenschutzmitteln enthaltenen übrigen Begleitstoffen bewerte.

Prof. Dr. Christopher J. Portier und Prof. Ivan Rusyn vom MD Texas A&M University College of Veterinary Medicine and Biomedical Sciences: Die beiden Wissenschaftler kritisieren das methodische Vorgehen des BfR zur toxikologischen Bewertung des Wirkstoffes. Portier stellt in der Anhörung fest, dass Glyphosat „genotoxisch“ ist, jedoch das BfR aufgrund der unterschiedlichen Bewertung einzelner Studien zu anderen Schlüssen kommt. Auch Rusyn will einzelne Einschätzungen des BfR nicht teilen, weil das Bundesinstitut positive Tierversuche als nicht valide genug negiert hat. AgE/Str.

Hier ist das offizielle Video-Protokoll des Deutschen Bundestages von der Anhörung zu finden(Gesamtlänge: 2.52 Minuten):