Nur mit neuen Sorten können Landwirte am Züchtungsfortschritt teilnehmen. Allerdings dauert es bis zu 15 Jahre, bis eine neue Getreidesorte von der ersten Idee bis nach Prüfung in den Landessortenversuchen in der Praxis angekommen ist. Ein langer Weg, bei dem die Sorte viele Stolpersteine zu überwinden hat. Diesen weiten Weg von der Züchtung, Vermehrung bis hin zur Verarbeitungseignung und Anbau in der Praxis zeigte der Saatbauverband West interessierten Landwirten auf der diesjährigen Pflanzenbaurundfahrt in Westfalen-Lippe am vergangenen Donnerstag.
Pflanzen aus dem Labor
Dass Pflanzenzüchtung kein Sprint, sondern ein Marathon ist, also lange Zeit benötigt, wurde im Resistenzlabor der Saaten Union in Leopoldshöhe deutlich. In der SU Biotec GmbH helfen 73 Mitarbeiter den Mitgliedern der Saaten Union, neue Sorten zu finden und zu entwickeln. Hierzu liefern die Zuchtunternehmen aus ihrer Sicht interessantes Kreuzungsmaterial an die Wissenschaftler. Um Zeit zu gewinnen, werden moderne Züchtungsmethoden wie Gewebekultur, Einsatz molekularer Marker, um bestimmte Merkmale bereits im Labor selektieren zu können.
Auch Zell- und Gewebekulturen, um im Labor aus einzelnen Zellen einer Pflanze vollständige neue Pflanzen zu regenerieren, werden genutzt. Hierzu werden unreife Pollenkörner, sogenannte Mikrosporen, aus den unreifen Ähren des Getreides entnommen und in Petrischalen mit unterschiedlichen Nährmedien kultiviert. Daraus entwickeln sich neue Pflanzen, die sich im Gegensatz zur herkömmlichen Züchtung nicht mehr aufspalten. Dadurch wird der Züchtungsprozess erheblich beschleunigt. Bei der SU Biotec werden jedes Jahr etwa 2400 Kreuzungen durchgeführt und 800 000 Pflanzen produziert.
Inhaltsstoffe in der Prüfung
Im Laufe der weiteren Sortenentwicklung werden die Pflanzen genau beobachtet und mehrjährig an vielen Standorten geprüft. Anschließend werden die neuen Sorten in den Wertprüfungen des Bundessortenamtes anbebaut und getestet. Hier wird der Augenmerk nicht nur auf Ertrag und Gesundheit gelegt, sondern auch die „inneren für die Brotherstellung wichtigen Eigenschaften“ wie etwas Rohproteingehalt, Wasseraufnahmevermögen, Feuchtkleberqualität oder Sedimentationswert werden gemessen.
Die Prüfung dieser Parameter übernimmt das Max-Rubner-Institut in Detmold. Hier gehen etwa 2000 Muster aus den Wertprüfungen ein. Hierzu werden die Proben vermahlen, Mehlqualitäten bestimmt und zum Schluss im Backversuch die Eignung als Grundstoff für die Brotherstellung überprüft. Die Ergebnisse erhält das Bundessortenamt, welches die unterschiedlichen Sorten in die entsprechenden Qualitätsstufen E bis C einordnet.
Neue Ernte im Blick
Nicht nur neue Sorten werden getestet. Die Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung bietet ihren Mitgliedern und anderen Firmen aus dem Getreidebereich, die Möglichkeiten, Getreide- und Mehluntersuchungen in Detmold vornehmen zu lassen. Landhandel, Mühlen und Müller nutzen die Gelegenheit, die neue Ernte zu überprüfen. Qualitätsuntersuchungen bei Getreide und Mehl, wie zum Beispiel die Ermittlung von Protein- und Feuchtklebergehalten, aber auch ein möglicher Befall mit Pilzgiften oder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln werden überprüft.
Neben dem analytischen Teil werden auch Vergleichsuntersuchungen für Getreide und Mehl zur Laborkontrolle angeboten. So lassen Landhändler etwa ihre NIR-Geräte, mit denen zum Beispiel der Proteingehalt im Weizen festgestellt wird, kalibrieren. Hierzu erhalten die Teilnehmer sechsmal im Jahr zwei Getreidemuster mit unterschiedlichem Proteingehalt. Diese Muster untersucht der Landhändler und sendet die Ergebnisse nach Detmold. Die Kalibrierung des Gerätes kann so überprüft und angepasst werden.
Hat eine Sorte die Hürden der Wertprüfung genommen, erfolgt die Zulassung durch das Bundessortenamt. Anschließend müssen diese Sorten ihre Eignung für die Praxis in den Landessortenversuche der Landwirtschaftskammern beweisen. Nur geeignete Sorten werden später empfohlen.
Vermehrung beim Landwirt
Damit genug Saatgut zur Verfügung steht, erfolgt bereits früh die Saatgutvermehrung des Vorstufen- und Basissaatgutes, damit später genügend Z-Saatgut zur Verfügung steht. Einer der Betriebe ist Peter Erik Froböse, der auf seinem Betrieb unterschiedlichste Getreidesorten, aber auch Grassamen, vermehrt.