„Auf Mitbürger Rücksicht nehmen“



Die Landwirte im Ruhrgebiet verlieren pro Jahr etwa 1.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche durch neue Wohn- und Gewerbegebiete, Straßenbauten und andere Infrastrukturprojekte. Die Sorge um weitere Flächenverluste spiegelt sich in den Aussagen vieler Landwirte wider. Hier in Auszügen die wichtigsten Ergebnisse der Befragung.

Die Befragung
Im Rahmen des Projektes KuLaRuhr hat Dr. Susanne Kost von der Uni Stuttgart 28 Landwirte befragt. 15 Betriebsleiter aus Gladbeck/Bottrop und 13 aus Castrop-Rauxel/Waltrop nahmen daran teil. Von den Familien wirtschaften alle, bis auf zwei, im Haupterwerb. Sie bewirtschaften zwischen 40 und 75 ha LN. Die Nachfolge in den Betrieben ist weitestgehend geklärt.

Die Betriebsleiter bemängeln die fehlende Kommunikation zwischen Kommunen und Landwirtschaft im Vorfeld von wichtigen Planungen. Sie werden lediglich über die Flächenverluste informiert, aber nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen. Zudem stellen sie die Ausgleichsmaßnahmen infrage. „Wir haben oft das Gefühl, dass die Ausgleichsflächen willkürlich aufgekauft werden. Die Bodengüte spielt dabei keine Rolle“, hieß es.

Pachtverträge mit einjähriger Laufzeit sind die Regel. Zum Teil laufen die Verträge bereits seit 50 Jahren (!). „Dauerkultur wie Spargel oder Äpfel kann ich auf diesen Parzellen nicht anbauen“, kritisierte ein Landwirt. 17 Betriebsleiter gaben an, einjährige Pachtverträge zu haben. „Die Zahl der Verpächter, die den Bezug zu unserem Berufsstand nicht mehr haben, nimmt zu“, so ein anderer Befragter.

Viele Landwirte ärgern sich über Folgendes: Hundehalter lassen ihre Tiere frei auf Wiesen und Felder laufen und denken nicht an die Folgen (verschmutztes Futter). Ein Betroffener: „Die Konflikte entstehen, weil viele Leute unwissend sind. Wir müssen die Hundehalter noch besser aufklären und sie um Verständnis bitten.“

Die Kunden vor der Haustür

Die hohe Besiedelungsdichte im Ruhrgebiet sehen die Landwirte aber auch als große Chance. 13 von 28 befragten Familien vermarkten ihre Produkte direkt an Endkunden. Ein breites Spektrum an Dienstleistungen bieten 15 der befragten Landwirte an. Dazu gehören Erdbeerplantagen zum Selberpflücken, Pensionspferdehaltung, Agrotourismus, Landschaftspflege und Hofführungen.
„Wir haben hier viele Schulklassen und Kindergärten, für die wir Hofführungen organisieren“, schilderte ein Befragter. „Viele wissen nicht, wo ihre Nahrungsmittel herkommen. Insofern ist es wichtig, dass jetzt die Bevölkerung aufs Land kommt“, stellte eine Bäuerin fest.

Die befragten Familien haben sich mit ihrer stadtnahen Lage arrangiert. Sie haben nichts dagegen, wenn Leute mit Kindern ihren Hof besuchen und einen Blick in den Kuhstall werfen. Ein anderer Betriebsleiter meinte mit Hinweis auf die städtische Bevölkerung: „Für uns versteht es sich von selbst, dass wir ab Freitagmittag keine Gülle mehr ausbringen. Unsere Nachbarn wissen das. Da haben wir nie Ärger.“

Um das Zusammenleben mit den Verbrauchern weiter zu verbessern, empfahl ein Betroffener, am gegenseitigen Verständnis zu arbeiten: „Wir werden noch stärker auf die Bevölkerung zugehen müssen. Wir müssen sie über unsere Tätigkeit aufklären.“

Fazit der Befragung

Aufgrund der stadtnahen Lage haben sich viele Familien im Ruhrgebiet zu echten Multitalenten entwickelt. Sie nutzen die Millionen Verbraucher vor ihrer Haustür und haben sich zum Beispiel über die Direktvermarktung ein stabiles Einkommensstandbein aufgebaut.

Die Zukunft der Betriebe hängt zu großen Teilen aber davon ab, ob sie auch in Zukunft noch über ausreichende Produktionsflächen verfügen. Deshalb sollten alle Verantwortlichen den Flächenverbrauch drastisch reduzieren. Anna Wischermann