Ich sollte ,mal eben schnell‘ einen Kredit über eine Viertelmillion unterschreiben“, erzählt Ulrike (Namen geändert). An diese Situation vor zehn Jahren erinnert sie sich gut: Sie hängte draußen Wäsche auf. Es war kurz vor Mittag. Ihr Mann Jens war unterwegs. Wohin, hatte er nicht gesagt. Als er heimkam, fuhr er bis vor die Haustür. Er stieg aus dem Auto und rief: ,Ulrike, komm schnell!‘“ Die zweifache Mutter dachte, es sei etwas passiert. Sie folgte Jens in die Küche. Auf dem Tisch lag ein Zettel. „Jens streckte mir einen Kugelschreiber entgegen. Ich sollte was unterschreiben.“ Ulrike wusste weder, was, noch wofür. Jens drängte: „Nun mach schon, die Bank schließt um zwölf. Ich muss da wieder hin.“
Gefahr für die Beziehung?
Die junge Frau fühlte sich unwohl „Die Bank macht um 14 Uhr wieder auf“, sagte sie und fragte erneut: „Um was geht es denn überhaupt?“ Jens habe nur geantwortet: „Um einen Kredit.“ – „Wofür und die Summe sagte er nicht“, berichtet die Bürokauffrau und ergänzt: „Ich sagte ihm, dass ich jetzt nichts unterschreibe. Jens war außer sich.“ „Viele fürchten sich vor der Reaktion des Partners, wenn sie mal ,Nein‘ sagen“, erklärt Elisabeth Heckel, „vor allem dann, wenn sie sonst häufig ,Ja‘ sagen.“ Die Kommunikationsexpertin empfiehlt daher, zunächst etwas Wertschätzendes zu sagen: „Freuen Sie sich zum Beispiel gemeinsam mit dem Partner über das Angebot des Kreditvertrags – dann nehmen Sie den zeitlichen Druck aus der Situation.“ Ulrike hätte sagen können: Ich hänge noch eben die restliche Wäsche auf und dann schaue ich mir das gerne in Ruhe an. Passt das für dich? „Dann ist das beziehungsgefährdende ,Nein‘ weniger kategorisch ablehnend“, sagt Heckel.
Aus rechtlicher Sicht muss Ulrike nicht unterschreiben. „Der Ehegatte bzw. die -gattin darf die Unterschrift verweigern“, kommentiert Rechtsanwalt Andreas Mayer, Kanzlei Mayer & Mayer, Freiburg i. Br. „Aber dann bekommt der andere das Darlehen wahrscheinlich nicht“, so der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Keine zweite Unterschrift
„Ein Kredit ist oft elementar wichtig. Daher kann es sein, dass Jens neben der persönlichen Zurückweisung auch Existenzsorgen spürte“, deutet Heckel das Verhalten des Landwirts. „Vermutlich war es beides“, sagt Ulrike heute. Jens verließ seinerzeit wütend die Küche. Der Vertrag blieb liegen. Ulrike las ihn in Ruhe. Es ging um einen Kredit über 250 000 €. Mit dem Geld wollte ihr Mann den Hähnchenmastbetrieb modernisieren. Der Vertrag war fast vollständig ausgefüllt. Jens hatte unterschrieben. Es fehlte nur noch ihre Unterschrift.
Fachanwalt Mayer kennt das Vorgehen bei der Vergabe von Darlehen: „Dabei gibt es keine gesetzliche Grundlage, wonach Banken eine zweite Unterschrift benötigen.“ Dann folgt sein „Aber“: „Banken wollen sicherstellen, dass Raten und Tilgung bezahlt werden.“ Mit der Unterschrift haftet der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin, wenn der andere den Kredit nicht mehr bedient. Dies wird umgangssprachlich „Ehegattenbürgschaft“ genannt. Wichtig ist im Fall einer Scheidung: Wer in der Ehe einen Kredit mit unterschreibt, haftet für die Schulden. Wer nicht unterschreibt, hat nichts zu befürchten. „Es gibt keine ,automatische‘ Mithaftung für Schulden des Ehegatten“, betont der Fachanwalt. Anders kann es sich bei Unternehmern verhalten: „Es kann sein, dass die Ehefrau echte Mitdarlehensnehmerin ist, wenn die Eheleute den Hof betriebswirtschaftlich gemeinsam führen. Dann sind beide Unterschriften erforderlich.“ Das war bei Ulrike nicht der Fall. Sie half nur auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Mannes mit.
„Was ist meine Arbeit wert?“
„In einer Beziehung auf Augenhöhe trifft man gravierende Entscheidungen gemeinsam“, betont die Kommunikationsexpertin Heckel. Doch für ein ebenbürtiges Miteinander sei es wichtig, dass man sich die Bedeutung der eigenen Leistung für den Betrieb und die Familie bewusst mache. Das Zusammenleben auf dem landwirtschaftlichen Betrieb hatte sich Ulrike bei der Hochzeit anders vorgestellt. Nach 23 Ehejahren trennte sich das Paar. Heute ist die Büroangestellte froh, dass sie mutig war und den Kredit nicht unterschrieben hat. „Alles richtig gemacht“, bestätigt auch Fachanwalt Mayer, „keine Unterschrift – keine Haftung.“
Lassen Sie Vorbilder „Nein“ sagen
In solchen Drucksituationen, wie bei Ulrike und Jens, ist das Wichtigste: „Erst mal atmen“, sagt Elisabeth Heckel, Kommunikationstrainerin aus Kleinmachnow im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Dieser kleine Tipp hilft bereits, den Puls herunterzufahren. Reicht das nicht, um einen klaren Gedanken zu fassen, kann es laut der Fachfrau helfen, unter einem Vorwand kurz den Raum zu verlassen: „Ich muss mal kurz auf die Toilette oder einen Schluck Wasser trinken.“ Optionen wie diese gibt es immer, um sich selbst aus der Situation herauszunehmen.Bei kniffeligen Gesprächen, zum Beispiel bei der Bank, können „Role-Models“ (Vorbilder) helfen: Was würde die Mutter, der Vater oder auch die beste Freundin in dieser Situation sagen? „Stellen Sie sich eine taffe Person aus Ihrem Umfeld in dieser Situation vor und fragen Sie sich, was sie tun würde“, rät Heckel.Maßgeblich ist für die Psychologin stets, seine eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu kennen und zu achten. „Nur dann kann ich auch entsprechend gut auf mich aufpassen. Dann bedeutet ein ,Nein‘, dass ich ,Ja‘ zu mir selbst sage.“
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