Vor Ostern hat der NRW-Landtag mit Stimmen von CDU und Grünen Änderungen am Landesentwicklungsplan (LEP) im Bereich Erneuerbare Energie zugestimmt. Kernziel ist die Umsetzung der Vorgabe der Bundesregierung bis zum Jahr 2032 mindestens 1,8 % der Landesfläche für die Windenergie auszuweisen. Dies soll in NRW bereits bis zum Jahr 2025 erfolgen. Um das Zeitziel erreichen zu können, haben die sechs Regionalplanungsgebiete, also die Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster sowie der Regionalverband Ruhr bereits parallel zum LEP damit begonnen, ihre Regionalpläne zu überarbeiten. Entwürfe liegen aktuell bereits in den Regierungsbezirken Münster, Detmold und Arnsberg vor.
Der neue LEP enthält Regelungen zu Windenergie und Freiflächen-Photovoltaik, nicht aber für Biogas.
SPD und FDP, aber etwa auch der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW kritisieren einen Teil der Neuerungen. Ein Grund für die Kritik: Sie halten die Übergangsregelungen im Bereich Windenergie für rechtswidrig.
In Teilen nicht rechtskonform?
SPD und FDP sowie der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW kritisieren, dass Teile des neuen Landesentwicklungsplanes rechtswidrig sein könnten. Konkret geht es um Übergangsregelungen im Bereich Windenergie. Nach altem Recht war der Bau von Windenergieanlagen im Außenbereich privilegiert. Nach der neuen Vorgehensweise sollen in den jeweiligen Regionalplänen Bereiche für die Windenergie ausgewiesen werden. Zwar dürfen die Kommunen im Zuge einer Positivplanung weitere Standorte ausweisen. Dennoch kann es passieren, dass Vorhaben, die sich bereits in Planung befinden, nach dem neuen Recht nicht mehr genehmigungsfähig sind.
Mit einem Erlass vom 21. September 2023 wollte die Landesregierung die neuen Regelungen bereits einführen, bevor der neue LEP verabschiedet war und bevor die Regionalpläne die neuen Windbereiche ausweisen. Nur wer für ein laufendes Vorhaben von seiner Genehmigungsbehörde bis zum 21. September 2023 bestätigt bekommen hat, dass er alle Antragsunterlagen vollständig eingereicht hat, sollte nach altem Recht bauen dürfen.
„Das ist nicht nur ein Vertrauensbruch, sondern zudem rechtlich fragwürdig. Wir gehen davon aus, dass diese Regelung der Landesregierung einer gerichtlichen Überprüfung nicht Stand hält“, sagt Johannes Kempen, Windenergieexperte vom LEE. Zurzeit prüft die Branche, ob und wie eine juristische Klärung erfolgen kann.
Mehr PV auf der Fläche – aber wo?
Der Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik (FF-PV) soll nach Vorstellung der Landesregierung den klimaneutralen Umbau der Energieversorgung unterstützen. In der Energieversorgungsstrategie des Landes steht, dass der PV-Ausbau etwa zur Hälfe auf Dächern und zur Hälfte auf der Fläche erfolgen soll. Zudem sieht der LEP in FF-PV „schon jetzt eine der kostengünstigsten Arten der Stromerzeugung“. Aktuell entfallen allerdings nur 6 % der installierten PV-Leistung in NRW auf die Fläche. Konkrete Flächenziele gibt es im Bereich FF-PV weiterhin nicht. Der Ausbau der FF-PV soll unter der Schonung landwirtschaftlich bedeutsamer Flächen stärker vorangetrieben werden. Der LEP unterstützt die Agri-PV.
Grundsätzlich muss der Standort für raumbedeutsame FF-PV-Anlagen mit der Schutz- und Nutzfunktion der Fläche, wie im Regionalplan festgelegt, vereinbar sein. Schützenswerte Bereiche, wie in den Regionalplänen festgelegte Waldbereiche und Bereiche zum Schutz der Natur stehen für raumbedeutsame PV-Freiflächenanlagen nicht zur Verfügung. Weitere Vorgaben:
- Raumbedeutsame PV-FFA sollen vorzugsweise auf Brachflächen, Halden, Deponien, in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten, auf künstlichen Oberflächengewässern, in Windenergiegebieten, sofern das mit der Vorrangfunktion dieser Bereiche vereinbar ist, oder bis zu einer Entfernung von 500 m zu Bundes- und Landesstraßen sowie überregionalen Schienenwegen entstehen. Dieser Vorgabe entspricht einer nicht verbindlichen Empfehlung an die Kommunen und muss von der im Bundesrecht festgelegten baurechtlichen Privilegierung von FF-PV in einem 200-m-Streifen entlang von Autobahnen und zweigleisigen Schienenwegen unterschieden werden.
- Hochwertige Ackerböden (Bodenwertzahl über 55) sowie landwirtschaftliche Kernräume sollen besonders geschützt werden. Hier soll nur Agri-PV möglich sein.
Land, Regionalverbände, Kommunen: Was gilt vor Ort?
Der Landesentwicklungsplan (LEP) ist ein Steuerungsinstrument der Landesplanung. Er legt Ziele und Grundsätze für die räumliche Entwicklung des gesamten Landes fest. Dabei sind Grundsätze allgemeine Vorgaben, die beachtet werden sollten. Ziele sind verbindlich. Auf Grundlage des neuen LEP im Bereich Erneuerbare Energie werden aktuell die Regionalpläne in den sechs Planungsregionen überarbeitet. Diese sollen bis 2025 rechtskräftig beschlossen sein.
Was dabei wo wie geregelt wird, ist etwas verwirrend. Denn zum einen müssen sich die Regionalplanungsbehörden nicht unbedingt an alle Vorgaben des LEP halten. Zum anderen können auch die Kommunen bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen wiederum in vielen Fällen von den Vorgaben der Regionalpläne abweichen. Ein Blick auf den Bereich Windenergie:
- Grundlage für die Planung bildet eine Potenzialstudie des Landesamtes für Natur-, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV). Aus dieser sind die Flächenziele für die Planungsregionen hervorgegangen. Gerechnet wurde hier zum Beispiel mit einem Abstand von 700 m zwischen Windenergieanlage (WEA) und Wohnhäusern.
- Die Regionalräte der Regierungsbezirke bzw. die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr erarbeiten die Regionalpläne. Der Regionalplan legt die Ziele für die Raumentwicklung in der jeweiligen Planungsregion fest. Grundlage für die Regionalpläne im Bereich Erneuerbare Energie bildet der LEP. Allerdings müssen sich die Regionalplanungsbehörden nicht zwingend an alle Vorgaben halten. Ein Beispiel: So haben die Regierungsbezirke Detmold, Arnsberg und Münster bereits einen Entwurf für ihren Regionalplan vorgelegt. Die beide erstgenannten haben dabei einen 1000 m Abstand zwischen Wohnbebauung und WEA vorgesehen, obwohl dieser vormals gesetzliche Pauschalabstand ausdrücklich abgeschafft wurde. Arnsberg hat zudem einen zusätzlichen 300-m-Puffer um Schutzgebiete eingeführt. Alle drei Regierungsbezirke wollen keine WEA in Gewerbe- und Industriegebieten zulassen, obwohl der LEP dies grundsätzlich erlaubt.
- Im Ergebnis legen die Regionalpläne Bereiche fest, in denen Windenergieanlagen gebaut werden dürfen. Für alle rechtskräftig ausgewiesenen Flächen ist eine Umweltprüfung erfolgt. Sie muss dann nicht mehr anlagenbezogen durchgeführt werden. Damit ist gesichert, dass diese ausgewiesenen Flächen auch grundsätzlich für die Windenergie nutzbar sind. An dieser Stelle setzt die Kritik an, die am bereits vorgelegten Regionalplan Münster geleistet wird. Denn dieser weist auch Flächen für die Windenergie aus, die zum Beispiel aufgrund von fehlenden Abständen zu Wohnhäusern nicht bebaut werden dürfen.
- Die in den Regionalplänen ausgewiesenen Windenergiebereiche dürfen höchstens 15 % der Fläche einer Kommune ausmachen. Kommunen steht es aber frei, im Rahmen einer Positivplanung weitere Flächen für die Windenergie frei zu machen. Zu den Kommunen mit viel Flächenpotenzial gehören zum Beispiel Sundern, Möhnesee aber auch Lichtenau und Borchen. Ausnahmen für die Positivplanung durch die Kommunen bestehen in den Bereichen zum Schutz der Natur (BSN). Hier gelten die durch die Regionalpläne vorgegebenen Umstände. Kommunen dürfen nichts Abweichendes entscheiden.
Wie gut diese Abstufung der Flächenausweisung in der Praxis funktioniert, wird sich zeigen. Neben der Verwirrung, die die unterschiedlichen Vorgaben in LEP und Regionalplänen auslösen können, zeigt sich zurzeit im Regierungsbezirk Detmold, dass es trotz der Möglichkeit der Positivplanung zu Problemen kommen kann. Wie die WDR-Sendung Westpol am 24. März berichtete, zieht der Regionalrat Detmold mit dem Ziel, die Netzanschlusskosten zu senken, Windbereiche mit einer Mindestgröße von 30 ha vor. In Herzebrock-Clarholz könnte das eine Planungsfläche mit einer Größe von gut 25 ha gefährden. Über eine Positivplanung könnte die Gemeinde die Fläche zwar frei geben. Allerdings müsste die Planung von Grunde auf neu beginnen. Dauer mindestens weitere drei Jahre. Von den Kosten nicht zu reden.
Die Beschränkung auf Flächen über 30 ha hat zudem die Folge, dass sich die Wind-Planung im Regierungsbezirk Detmold zu über 80 % auf die ohnehin schon anlagenreichen Kreise Paderborn und Höxter konzentriert. Im Kreis Herford ist keine einzige neue Anlage geplant. Dabei gibt es gerade im Norden des Regierungsbezirks viel Industrie. Einige der Unternehmen, so der WDR, haben durchaus Interesse daran, eigene WEA zu bauen, um ihre Stromkosten zu senken.
Wind: Flächenausweisung bis 2025
Ziel des neuen LEP ist es laut Landesregierung, die Bundesvorgaben zur Bereitstellung von Flächen für den Ausbau der Windenergie möglichst schnell zu erfüllen und mit den schützenwürdigen Interessen der Bevölkerung, der Kommunen und der Umwelt in Einklang zu bringen. Laut neuem LEP dürfen nun auch in folgenden Bereichen Windenergieanlagen entstehen:
- in Nutzwäldern (Nadelwald), sofern es sich nicht um eine waldarme Gemeinde mit unter 20 % Waldanteil im Gemeindegebiet handelt,
- in Abstandsflächen großer Industrie- und Gewerbegebieten,
- in nicht fachrechtlich geschützten Flächenteilen der Bereiche für den Schutz der Natur.
- Die pauschalen Abstände von 1000 m zwischen WEA und Wohnbebauung hebt der neue LEP ausdrücklich auf.
Die sechs Planungsregionen haben bereits begonnen, ihre Regionalpläne zu überarbeiten und so im Durchschnitt 1,8 % der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung zu stellen. Dabei sollen die Planungsregionen Windenergiebereiche in folgendem Umfang ausweisen:
- Arnsberg: 13 186 ha
- Detmold: 13 388 ha
- Düsseldorf: 4151 ha
- Köln: 15 682 ha
- Münster: 12 670 ha
- Regionalverband Ruhr: 2036 ha
Aufgrund der Siedlungsdichte unterscheidet sich dabei der Flächenanteil in den Regionen mit 2,13 % in Arnsberg, Detmold, Köln und Münster sowie 0,46 % in der Planungsregion Ruhr und 1,14 % in Düsseldorf.
Lesen Sie mehr: