Als Iris und Hendrik (Namen geändert) heirateten, war er schon Hofbesitzer. Was das bedeutete, wurde Iris erst klar, als sie beim Notar waren, um die Details zum Vertrag für den Neubau eines Hauses zu verhandeln. Der sagte: „Das überlegen Sie sich bitte gut, Sie stehen nicht im Grundbuch.“ Der Jurist ergänzte noch mit einem Lächeln auf den Lippen: „Aber wenn es hart auf hart kommt, können Sie bei mir klingeln und bekommen immer noch ein Butterbrot.“ Heute weiß Iris, dass sie damals ziemlich naiv war: „Ich habe mir keinen Kopf darüber gemacht, was passieren könnte. Ich war jung und verliebt.“
Auf Fairness hoffen
Iris war 16 Jahre alt, als sie Hendrik kennenlernte. Vier Jahre später heirateten die beiden und kurz darauf kam ihr erstes Kind zur Welt. Es folgten noch drei weitere. Mit der Geburt des ersten Kindes gab Iris ihren Job in einer Bäckerei auf. „Wir hatten genug zu tun auf dem Hof, im Haus und auch in der Betreuung der Altenteiler“, erinnert sie sich. Iris half beim Bau des Wohnhauses, das sich in Hendriks Privateigentum befindet. Den Kreditvertrag unterschrieb sie wie selbstverständlich, ohne über die Folgen nachzudenken. „Dass ich am Ende mit leeren Händen da stehen könnte und nur Schulden hätte, realisierte ich erst, als der Notar mich auf den fehlenden Eintrag im Grundbuch hinwies“, erinnert sich die heute 58-Jährige. Als Iris ihren Mann darauf ansprach, antwortete er nur, dass ein Haus zum Hof gehöre und deshalb solle sie nicht mit als Eigentümerin auftreten. „Ich hatte das Gefühl, er war ein bisschen sauer, dass ich gefragt habe“, erinnert sich Iris. „Leider ist dies kein Einzelfall“, weiß Roland Sperling, Anwalt für Scheidung, Familienrecht und Unterhalt in Düsseldorf: „Der Rat kann nur dahin gehen, dem emotionalen Druck standzuhalten und eine solche Mithaftung gar nicht erst zu unterschreiben.“ Das könne dazu führen, dass die Bank den Kredit ablehne, so Sperling, „aber wenn die Frau für die Bank erkennbar kein eigenes Vermögen und kein eigenes Einkommen hat, wäre das Bestehen auf einer Mithaftung der Ehefrau zudem womöglich sittenwidrig und die Mithaftung deshalb rechtlich unwirksam.“
Iris hatte bereits unterschrieben. „Ich will hoffen, dass du fair bist, sollte es mal hart auf hart kommen“, hört sie sich noch heute zu Hendrik sagen. Selbst wenn er ihre Aussage bejaht hätte: Lippenbekenntnisse haben vor dem Scheidungsrichter keinen Bestand. Fachanwalt Sperling empfiehlt, einen weiteren notariellen Vertrag zu schließen, worin sich der Ehemann verpflichtet, bei einer Trennung die Raten allein zu zahlen.
Alles für den Betrieb
Die Jahre gingen ins Land und die Kinder wuchsen heran. Immer wieder arbeitete Iris zwischendurch auf 450-€-Basis. Hendrik musste währenddessen gesundheitliche Rückschläge einstecken. Iris brachte sich zunehmend in den Betrieb ein. Unterstützt durch Betriebshelfer versorgte sie die Tiere und erledigte alle anfallenden Arbeiten auf dem Hof.
„Im Wochenblatt habe ich seinerzeit schon gelesen, dass Frauen auf den Höfen häufig schlecht abgesichert sind“, sagt sie. Sie erinnerte sich auch an den Satz des Notars und sein Angebot auf ein Butterbrot. Sie dachte darüber nach, wie es um ihre eigene Absicherung stehen würde, sollte ihre Ehe in die Brüche gehen. Doch Iris hatte keine Lösung, obwohl sie inzwischen wieder stundenweise in einer Bäckerei arbeitete.
Passende Gelegenheit
Und dann kam der Tag, an dem der Nachbarhof, ein Kotten mit 5 ha Land, verkauft werden sollte. Da wurde der vierfachen Mutter klar: „Ich werde den Hof kaufen – das wird meine Absicherung.“ Sie erhielt einen Bankkredit auf ihren Namen – mit der Bürgschaft ihres Mannes. „Grundsätzlich ist es sinnvoll, Vermögen beispielsweise fürs Alter aufzubauen. Die Gründung eines eigenen wirtschaftlichen Betriebs kann ein solcher Baustein sein“, kommentiert Sperling.
Fortan wollte Iris Pferdehaltung betreiben. Die Genehmigung erhielt sie schnell. Das für den Umgang mit Pferden erforderliche Wissen eignete sie sich selbst an. Parallel renovierten sie – auch mit finanzieller Unterstützung ihres Mannes – das Wohnhaus auf der kleinen Hofstelle, um es zu vermieten. Hendrik pachtete die Pferdeställe und hält Pensionspferde. Von der Miete des Wohnhauses, der Pacht sowie ihrem außerlandwirtschaftlichen Erwerbseinkommen tilgt Iris den Kredit. Wann immer Sondertilgungen möglich sind, unterstützt Hendrik seine Frau finanziell. „Ich habe das Gefühl, dass mein Mann noch mehr hinter mir steht, seitdem ich den Hof gekauft habe. Gut ein Drittel habe ich schon abbezahlt“, freut sich Iris, „bald ist es mein Hof.“
Jetzt kommt der Haken
Trotzdem hat die Sache einen Haken: „Je erfolgreicher ihr Betrieb, desto größer ist ihr Zugewinn.“ Bei einer Scheidung müssten demnach die beiderseitigen Zugewinne ausgeglichen werden. Damit würde Iris bei einer Scheidung weniger Ausgleich von Hendrik bekommen. „Gegebenenfalls müsste sie ihm sogar noch was auszahlen, wenn ihr Betrieb erfolgreicher ist als der ihres Gatten“, so Sperling.
Übrigens: Die von ihm geleisteten Sondertilgungen bekäme Hendrik nicht zurück. „Grundsätzlich werden Zahlungen, die während der Ehe zwischen den Parteien hin- und hergeflossen sind, bei der Scheidung nicht rückabgewickelt“, erläutert der Anwalt. Sein Tipp: Iris und Hendrik sollten zum Notar gehen und regeln, was bei einer Scheidung mit dem Haus, dem Pferdehof und den Schulden passiert.
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