Freiburg gilt in vielerlei Hinsicht als Vorreiter oder Trendsetter. Aber selten war die Aufmerksamkeit so groß wie bei der nun beschlossenen Einführung des vegetarischen Essens an städtischen Schulen und Kitas. Ein gefundenes Fressen für die Medien, denn die Zutaten eignen sich hervorragend für scharfe Schlagzeilen: Linksgrüne Bevormundung gegen fleischgewordenes Ignorantentum! Zwangsbeglücker gegen Egoisten!
Der Beschluss des Gemeinderats lässt sich prima ideologisch aufladen, sodass die „Sozialen Netzwerke“ erwartungsgemäß explodieren und ebenso erwartungsgemäß übers Ziel hinausschießen. Menschen, die weder Freiburg kennen noch die Argumente der Stadtverwaltung, kommentieren munter mit. Schließlich isst jeder und war auch schon mal in der Schule – folglich halten sich alle für kompetent. Und die Kontroverse lässt sich auch so schön schwarz-weiß zeichnen. Manche Medien sind voll dabei:
- Focus: „Trotz Eltern-Sturm beschließt Freiburg vegetarisches Schulessen“;
- RTL: „Fleisch-Verbot für Freiburger Kinder – der Veggie-Plan von Kitas und Schulen“;
- Berliner Zeitung: „Fleisch-Fehde in Freiburg: Agrarministerium ist gegen Verzicht“.
Griffig, aber danebengelangt
Das ist alles schön griffig formuliert, aber danebengelangt: Zwar gab es Kritik vom Gesamtelternbeirat, von einem „Eltern-Sturm“ war bislang aber nichts zu sehen. Und verboten werden Wurst und Fleisch keineswegs – wer will, kann sein Schnitzelweckle weiterhin mitbringen.
Der Ausgangspunkt des Verwaltungsvorschlags ist ein anderer: Es geht ums Geld und nicht ums Gemüse. Zunächst einmal ist festzuhalten: Das Schulessen ist in Baden-Württemberg eine freiwillige Leistung, die längst nicht alle Kommunen erbringen. Folglich gibt es zwar eine Anspruchshaltung, aber keinen Anspruch – Ganztagsschulen ausgenommen.
Nun hat vor der großen Ausschreibung des Kita- und Schulessens im kommenden Frühjahr das Frühwarnsystem des Freiburger Schuldezernats angeschlagen. Bürgermeisterin Christine Buchheit (Grüne) spricht von Preisen, die durch die Decke gehen werden, und schlägt schlüssige Gegenmaßnahmen vor:
- nur noch ein Menü, das vegetarisch sein muss, damit niemand vom Essen ausgeschlossen ist,
- dadurch Abläufe vereinfachen und
- den Verwaltungsaufwand in den Schulen und im Rathaus abbauen.
Um gleichzeitig die Qualität anzuheben, darf’s ein bisschen mehr Bio sein. Diese Abwägung kann kritisieren, wer nur auf die Kosten schaut. Doch die Preisfrage spielt in der aufgeheizten Internetdebatte kaum eine Rolle. Dabei ist sie zentral, was der Gesamtelternbeirat zurecht so sieht.
Ein Viertel der Grundschülerinnen und -schüler, die in ihrer Mensa essen, sind bedürftig und bekommen die Kosten erstattet. Aber wie viele mögen es sein, die gerne würden, aber schon heute nicht können?
Wer weiterhin zwei Menülinien fordert, sollte auch sagen, wer dafür aufkommt: die Stadtkasse, also der Steuerzahler, oder die Eltern, die in manchen Gemeinden tatsächlich das Essen komplett bezahlen? Wäre es den Kritikern lieber gewesen, die Stadt hätte den Großauftrag ausgeschrieben wie bisher und die Eltern den mutmaßlichen Preisschock alleine verdauen lassen?
Die Mehrheit im Gemeinderat will, dass die Haushalte eine möglichst moderate Erhöhung serviert bekommen. Deshalb lässt er auch eine Geschwisterregelung und Ermäßigung für Schwellenhaushalte prüfen. Dass vegetarisches Essen auch noch ökologisch sinnvoll ist und den klimapolitischen Zielen der Grünen entspricht – geschenkt.
Scharfes verbales Fernduell
Die verbalen Fernduelle haben auch die höchste Polit-Ebene erreicht. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) findet, Fleisch gehöre zu einer ausgewogenen Ernährung. „Keine Körperschaft, auch keine kommunale, darf Menschen vorschreiben, wie sie sich zu ernähren haben“, sagte er dem Südwestrundfunk und grummelte, er würde Klage einreichen, wenn er Vater in Freiburg wäre.
Ungewohnt scharf reagierte darauf Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos). Er sprach von Einmischung in die Selbstverwaltung einer Kommune. Eltern zu motivieren, gegen eine souveräne Entscheidung und freiwillige städtische Leistung zu klagen, sei „rechtlich höchst irritierend“.
Die Prüfung seines Rechtsamts hat ergeben, dass selbst in Bundesländern, in denen das Schulessen eine Pflichtleistung ist, kein Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Angebot bestehe. Außerdem, so Horn treffend, gebe es angesichts fehlender Kita-Plätze und riesigen Lehrermangels „gerade wirklich andere Probleme als das ,fehlende Wienerle‘ beim Mittagessen".
„Fleisch und Wurst sind in Freiburg nicht verboten. Wer will, kann sein Schnitzelweckle weiterhin mitbringen.“
„Wer zwei Menülinien fordert, sollte auch sagen, wer dafür aufkommt: die Stadtkasse, also der Steuerzahler, oder die Eltern?“
Lesen Sie mehr: